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Das Meer in deinen Augen

Das Meer in deinen Augen

Titel: Das Meer in deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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kindisch aufführte, sondern Finn und er, seine Freunde, die hier saßen und mit drei wildfremden Mädels soffen. Nichts, an das man sich erinnern würde. Und während ihm das bewusst wurde, vergaß Benjamin das Mädchen neben sich. Erst spät spürte er ihre Hand wieder auf seinem Bein. Sie legte ihren Kopf an seine Schulter und flüsterte: »Gehen wir hoch?« Ihr Piercing funkelte dabei auf.
    »Ich find’s grad gut hier«, entgegnete Benjamin kühl und hörte weiter Luka zu. Hielt er sich etwa zurück, weil er zu Hause eine Freundin hatte? Immerhin blieb Jenny ihm treu, obwohl er es nicht verdiente. Ihre Treue war ihm so wenig wert, dass es ihn mit einem Mal ganz schwermütig werden ließ. Benjamin goss das Glas wieder mit Whiskey voll und führte es zum Mund.
    »The memories fade like looking through a fogged mirror. Decisions to decisions are made and not bought.« Innen wurde alles warm, während ihre Hand seine Haut frösteln ließ. Noch ein Glas. »Enjoy yourself, take only what you need from it.« Lukas Augen blieben für den Schlussakkord geschlossen. Finn pfiff schrill auf zwei Fingern und klatschte danach enthusiastisch. »Du bist der Beste, Mann.«
    »Komm«, flüsterte Benjamin der Gepiercten ins Ohr, als der letzte Ton verklungen war. Denn das war sein Leben. Beschissen. Ohne Melodie.

7
    »Ich bin in Berlin aufgewachsen. Daher kann ich Deutsch«, fing der Polizist mit italienischem Akzent an und schaute jedem direkt in die Augen. Seine waren dunkelbraun und so wachsam, dass ihnen sicher nichts entgehen würde. Er hatte eine hohe Stirn und dünnes schwarzes Haar, das unter seiner Uniformmütze verschwand. Niemand erwiderte den Blick.
    »Ich stelle euch jetzt ein paar Fragen.«
    Der Beamte an der Tür drückte die Taste seines Funkgeräts und meldete etwas. Als er Antwort erhal ten hatte, ging er weiter zur Terrasse. Nachdem wieder Ruhe eingekehrt war, fing der Italiener von Neuem a n.
    »Wann habt ihr ihn das letzte Mal gesehen?«
    Finn zuckte nur mit den Schultern und biss die Zähne zusammen. Er hatte nichts gesagt, seit er Luka gesehen hatte. Er, der sonst immer so eine große Klappe hatte.
    »Und du? Kannst du dich erinnern?«, wandte sich der italienische Polizist an Benjamin.
    »Schätze, in der Nacht. Vielleicht um drei.« Er ließ eine fremde Stimme für sich sprechen. Sie klang gleichgültig. Der italienische Polizist zog die Stirn kraus und schüttelte mit einem Seufzer den Kopf. Die Mädchen, die auf dem Sofa kauerten, fragte er gar nicht erst. Der Schock stand ihnen immer noch ins Gesicht geschrieben. Die Tränen hatten das Make-up verwischt. Es blieb eine lange Zeit still. Draußen wurden Türen zugeschlagen. Die Sanitäter beeilten sich nicht. Sie mussten nur noch den Leichnam in einen grauen Kasten hieven und abtransportieren.
    Draußen rief jemand etwas auf Italienisch. Ein anderer antwortete. Ein Funkgerät wurde bedient. Blaulicht wurde eingeschaltet, die Sirene nicht. Benjamin spielte nur nervös am Verschluss seiner Arm banduhr, die er seit gestern nicht abgelegt hatte. Eine Breitling Navitimer, die er vor einem Jahr zum Geburtstag bekommen hatte. Das Glas hatte einen Sprung. Wahrscheinlich seit letzter Nacht. Mit dem Finger strich er über den Riss. Gestern noch hatte sie keinen Makel gehabt. Die Zeiger schritten mit unveränderter Präzision weiter.
    »Hat er irgendwelche Andeutungen gemacht? Gab es irgendwelche Anzeichen, dass er … sich etwas antun wollte?« Auf die Idee war Benjamin noch gar nicht gekommen.
    »Nein«, antwortete er hastig und schüttelte den Kopf.
    »Okay«. Der Italiener notierte etwas.
    »Ich kann euch sagen, dass ihr verdammt viel Scheiße gebaut habt.« Der Polizist ließ seinen Blick über die zahllosen leeren Flaschen wandern. »Aber ich denke, das wisst ihr selbst.«
    Dann erhob er sich und rief seinen Kollegen, die draußen auf der Terrasse rauchten, etwas zu. Sie schnippten ihre Kippen über die Klippen, ungefähr da, wo Luka gesprungen sein musste.
    »Packt eure Sachen. Wir fahren in fünf Minuten«, wies der Polizist sie an und ging seinen Kollegen voraus durch die offene Glastür in den Eingangsflur. Die schlanken schwarzen Lederschuhe klackten auf den Fliesen.
    Dann war es wieder still. »Was machen wir jetzt?«, schluchzte das Mädchen, dessen Name Benjamin spätestens jetzt nicht mehr kennen wollte. Eine beschissene Frage.
    »Ich hab ihm doch noch gesagt, dass es nur Spaß war.« Das waren Finns erste Worte.
    »Er musste doch nicht springen …

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