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Das Meer in deinen Augen

Das Meer in deinen Augen

Titel: Das Meer in deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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zurückzukehren hatte.
    »Die spielen gegen Köln. Ist schon lange ausverkauft.«
    Nicken. Das hatte er schon im Radio gehört.
    »Dein Essen wird ja kalt.«
    Schweigend aß er und wartete nur darauf, dass sein Vater den Monolog fortsetzen würde.
    »Musst du dir nicht bald ein Praktikum suchen?«
    Benjamin hob bloß die Schultern. Das Schulpraktikum rückte näher, aber er hatte die Entscheidung immer weiter vor sich hergeschoben. Eine Bewerbung hätte er schon längst abschicken müssen. Eigentlich war ihm gleichgültig, ob er am Ende einen Platz bekam.
    »Ich hab neulich mit Peter gesprochen. Bei dem könntest du in München ein paar Wochen reinschauen. Im Verkauf und so. Interessante Sache. Hab gehört, der hat inzwischen viel mit den Chinesen und Indern zu tun. Die expandieren da ganz groß. Du könntest dir das Ganze mal von der anderen Seite anschauen.«
    Benjamin zeigte keine Begeisterung, schwieg weiter und stocherte in seiner Pasta herum.
    »Ich weiß, die Sache mit Luka macht dir zu schaffen. Aber vielleicht solltest du langsam wieder nach vorne schauen.« Darauf wollte er also hinaus.
    An der Vergangenheit konnte Benjamin nichts ändern. Zurückholen, was fort war, das konnte niemand. Autos kaufen, Autos verkaufen. Das war seine Zukunft. Darüber sollte er nachdenken, nicht über Vergangenes. Vor ihm stand weiter ein halb voller Teller Nudeln, die inzwischen kalt waren.
    »Hier, ruf ihn an.« Sein Vater legte eine Visitenkarte auf den Tisch. Neben dem BMW -Logo stand schlicht in Schwarz der Name seines Onkels: Peter Münch – Geschäftsführer Sales . Benjamin schaute sie kurz an, bevor er wieder auf die Pasta starrte und mit der Gabel nach einer letzten Tomate grub.
    Auch auf den Seufzer seines Vaters reagierte er nicht.
    »Willst du nicht doch mal zu diesem Psychologen gehen?« Benjamin versuchte auch diesen Satz an sich abprallen zu lassen. Einfach zum Psychiater gehen. Seele reparieren lassen. Wieder funktionieren. Einen dümmeren Vorschlag hatte er lange nicht gehört. Aber er nahm ihn gleichgültig hin. Die Tomate hatte er inzwischen gefunden. Sie war matschig.
    »Es gibt für alles eine Lösung.« Die Zuversicht steckte ihn nicht an. Sein Vater nahm die Karte wieder auf und hielt sie augenzwinkernd hoch. »Ich mach das schon.« Im Vorbeigehen klopfte er seinem Sohn zaghaft auf die Schulter. Benjamin reagierte nicht, kaute auf der Tomate herum und wartete, bis er verschwunden war.

10
    Emma sah sich im Spiegel an. Sie war dünner geworden. Die Waage zeigte zwei Kilogramm weniger an. Andere Mädchen freuten sich wahrscheinlich darüber. Für sie bedeutete es nur mehr Unsicherheit. Jetzt hatte sie sogar die Kontrolle über ihren Körper verloren. Heute würde sie wieder zum Tanzen gehen, um sich das Gegenteil zu beweisen. Früher hatte sie Make-up sparsam benutzt. Seit Tagen trug sie immer etwas mehr Abdeckstift, um die Augenringe zu verstecken. Sie mochte sich selbst nicht mehr sehen. Die ausgeprägten Wangenknochen, die sie ohnehin nie gemocht hatte, unterstrichen die Blässe, die aus ihrem Gesicht nicht mehr verschwinden wollte. Schnell verschwand sie in die Küche, wo ihre Sporttasche schon stand, und nahm noch eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank.
    »Du gehst zum Tanzen.« Es klang eher nach einer Feststellung als nach einer Frage. Trotzdem wusste Emma, dass ihre Mutter eine Antwort erwartete.
    »Muss ja irgendwann weitergehen«, entgegnete sie kühl. Es kostete sie Kraft, diese Rolle zu spielen. Aber sie war sich sicher, wenn sie weiter keine Schwäche zeigen würde, wäre es irgendwann schon vorbei. Nichts hasste sie mehr als das Mitleid ihrer Mutter. Sie meinte es gut, aber es half ihr nicht, im Gegenteil.
    »Du kannst das nicht immer wieder runterschlucken.« Mama würde nicht so schnell aufgeben.
    »Ich komm schon klar«, wehrte sie sich und wich dem Blick ihrer Mutter aus.
    »Komm.« Der Umarmung konnte sie sich nicht entziehen. Irgendwie tat es auch gut.
    »Ich will doch nur, dass du mit mir reden kannst, mein Kleines.«
    Jetzt war es genug. Emma löste sich und sah ihre Mutter an, die selbst ganz hilflos war. Sie war nicht mehr ihr Kleines . »Ich bin weg, mach dir nicht so viele Gedanken wegen mir.«
    Sie schaffte es, die Wohnung zu verlassen, ohne sich umzudrehen. Sie wusste genau, dass ihre Mutter ihr nachschaute, auch als sie unten auf die Straßenbahn wartete.
    Erst nachdem sie eingestiegen war, stellte sie fest, dass sie viel zu früh aufgebrochen war. Eine ganze Stunde blieb

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