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Das Meer in deinen Augen

Das Meer in deinen Augen

Titel: Das Meer in deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Durch die Fenster in dem Holztor fiel ein wenig Licht. Opa hatte immer noch ein Auto. Einen alten Mercedes G-Klasse, der noch in den Siebzigern produziert worden war.
    »Werd ich wohl so bald nicht mehr fahren können.« Benjamin schaute sich zu ihm um, und diesmal kam wirklich so etwas wie Mitgefühl auf, als er seinen nachdenklichen Großvater beobachtete. »Also, was du für mich tun kannst.« Er schien sich wieder zu erinnern, warum sie hier unten waren.
    Er hob die Hand und deutete hoch zu einem der Regale. Ganz oben lag ein großer Karton mit abgewetzten Kanten. Ventilator 2000. Frische Luft auf Knopfdruck. »Ich bin ja nicht zimperlich, aber wenn’s wie heute 40 Grad hat …« Opa hustete. Ein ungesunder Husten. »Also, ich komm da nur mit der Leiter hoch.«
    Benjamin merkte, dass es ihm etwas unangenehm war, sich seine Schwäche einzugestehen.
    »Ist schon okay.« Der kleine Hocker an der Werkbank müsste ausreichen. Er stellte ihn vor das Regal und eine Sekunde später hielt er den Karton in den Händen.
    »Gut. Dann tragen wir den mal hoch.«
    Der Karton war mit einer dicken Schicht Staub bedeckt. Ob er überhaupt noch funktionierte? Die Farben der aufgedruckten Abbildung waren schon ziemlich verblasst. Oben im Wohnzimmer stellte Benjamin das Gerät ab und hoffte insgeheim, damit seine Arbeit für heute getan zu haben. Er klappte die Kiste auf und holte den alten Ventilator heraus.
    »Wo soll er hin?«
    »Stell ihn da auf die Kommode«, knurrte sein Opa und deutete auf das antike Stück, das am Fenster stand. Als der Ventilator mit der Steckdose verbunden war, geschah nichts. Dabei war er bereits eingeschaltet.
    »Funktioniert wohl nicht mehr.«
    »Lass mich mal sehen.« Sein Großvater kam ans Fenster und schaute auf das Gerät, das keine Regung zeigte. Mehrmals drückte er den Schalter. Ein. Aus. Ein. Aus. Nichts tat sich.
    »Ich dachte, ihr jungen Leute seid mit der Technik aufgewachsen.«
    Benjamin ging nicht auf den zynischen Kommentar ein, sondern drehte und wendete das Gerät, um es einer genauen Prüfung zu unterziehen. Wahrscheinlich war der Ventilator älter als er selbst.
    »Schätze, das Ding ist einfach kaputt.«
    »Quatsch … du bist wie dein Vater. Der kann Autos verkaufen, aber wenn er mal einen Nagel in die Wand schlagen soll, wird daraus nix.«
    Das wollte er nicht auf sich sitzen lassen. »Mal sehen.«
    Benjamin griff die Maschine am Sockel und hob sie wieder hoch. Das Kabel saß etwas locker. Vielleicht war es nur ein Wackelkontakt. Er schob das Kabel weiter hinein und gleich funktionierte es. Der kühle Luftzug blies ihm direkt ins Gesicht. Sein Großvater lachte, und als Benjamin ihn ansah, lag diesmal wirklich ein Lächeln auf seinen Lippen.
    »Bist doch nicht ganz auf den Kopf gefallen, was?«

18
    Der nächste Tag brachte Wolken, die sich im Laufe des Tages zu einer bedrohlichen Kulisse auftürmten. Erst wurden sie grau, dann schwarz, bis ein hässliches Gewitter losbrach. Benjamin saß schon seit einer Ewigkeit an dem langen Tisch im Wohnzimmer. Die Zeit hatte er dabei vergessen. Der Regen prasselte unaufhörlich gegen die Scheiben. Das Haus hatte riesige Fenster. Das war gerade modern. Viel Licht fiel ein. So viel, dass man es gar nicht mehr vom Dunkeln unterscheiden konnte. Man konnte hineinsehen und herausschauen, als wäre das Haus gar nicht da, als hätte es gar keine Wände. Jetzt perlte das Wasser in verzweigten Bahnen über das Glas und bildete doch so etwas wie eine Mauer. Plötzlich fühlte es sich wie ein Haus an. Hier war es sicher. Draußen fegte der Wind über die Teakholzmöbel und den mit einer Plane abgedeckten Strandkorb. Hier drin war es still. Nur ein leises Pfeifen drang durch die Dreifachverglasung. An den Fensterrahmen leuchteten die kleinen Glasbruchmelder immer wieder rot auf. Die schlugen Alarm, wenn die Scheibe eingeschlagen wurde. Sicherer hatte er sich deswegen nie gefühlt. Benjamin strich mit den Fingern über die Glasplatte des riesigen Tischs. Er bemerkte seinen Vater erst, als auch sein Spiegelbild ihm gegenüber Platz nahm.
    »Was hat dein Opa neulich für einen Eindruck gemacht?« Er seufzte und legte die Stirn mal wieder in Falten.
    Eigentlich hatte er heute Golf spielen wollen. Da das Wetter ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte, wanderte er durchs Haus und blieb ab und zu wieder vor dem Fernseher stehen, auf dem ein Formel-1-Rennen lief. Jetzt blickte auch Benjamin auf den Bildschirm. Der Boxenstopp wurde vom Kommentator

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