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Das Meer in deinen Augen

Das Meer in deinen Augen

Titel: Das Meer in deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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bewertet. Der Fahrer habe wertvolle Sekunden verloren.
    »Ich hab dich was gefragt«, gewann sein Vater die Aufmerksamkeit zurück.
    »Keine Ahnung. Er kann nicht besonders gut laufen seit dem Sturz.«
    »Tja …« Sein Vater lachte trocken auf und ließ einen Seufzer folgen. »Heute ist er wieder gestürzt. Leichter Schlaganfall. Das Krankenhaus hat gerade angerufen. Er hat wohl Glück gehabt. Die Nachbarin hat ihn gefunden.«
    Jetzt erst horchte Benjamin auf. »Der Arzt am Telefon meinte, er solle in den nächsten Tagen besser noch mal zu ihm kommen. Er hat sich anscheinend gegen weitere Untersuchungen gewehrt und will morgen schon wieder nach Hause. Die ganzen Krankheiten – das fängt ja im Alter irgendwann an, ob er will oder nicht. Er sollte besser in ein Heim. Ist doch unvernünftig, so allein zu wohnen. Seine verdammte Sturheit.« Sein Vater hatte seine Zigaretten hervorgeholt und legte die offene Schachtel vor Benjamin hin. Das tat er sonst nie. Schon gar nicht im Haus. Benjamin lehnte kopfschüttelnd ab. Ihm war jetzt nicht danach.
    »Aber auf mich will der Alte ja nicht hören.« Die Zigarette brannte. Er nahm lange Züge, während er mit der Schachtel weiter zwischen den Fingern spielte.
    »Hat nie gewürdigt, was wir hier aufgebaut haben. Weiß gar nicht, warum ich mich darum kümmere, was er macht. Sein Problem. So hat er uns auch erzogen.«
    »Ich könnte ihm helfen.«
    »Er sitzt jetzt im Rollstuhl.« Die Falten auf der Stirn zeichneten sich noch tiefer ab und drückten seine Ungläubigkeit aus. Es schien für ihn ganz und gar unverständlich zu sein, dass sein Sohn das tatsächlich auf sich nehmen wollte.
    »Das ist mein Ernst.« Benjamin hob die Schultern. »Ich hab Zeit und …«
    »Du hast jetzt Ferien«, unterbrach ihn sein Vater harsch. »Wenn du in zwei Wochen wieder zur Schule gehst, wird sich manches ändern.«
    »Werden wir dann sehen.«
    Sein Vater blieb diesmal ruhig, nahm noch einen Zug. Dann prüfte er ihn skeptisch. »Wenn du meinst. Schau am besten gleich morgen bei ihm vorbei.«
    Der Vorgarten war noch vom Regenguss des vorigen Tages durchnässt. An den Blättern hingen dicke Wassertropfen, die langsam zu Boden fielen und dort zerplatzten. Mehrmals drückte Benjamin den alten Klingelknopf aus Messing. Nichts geschah. Langsam packte ihn ein ungutes Gefühl. Nach dem dritten Versuch gab er auf und hastete über den gepflasterten Pfad um das Haus herum. Sein Herz pochte schon – da fand er seinen Großvater in einem Rollstuhl auf der Terrasse sitzend. Den Rücken hatte er ihm zugewandt. »Ich bin’s«, kündigte Benjamin sich an, ehe er die Stufen hochging und von hinten an ihn herantrat.
    »Mach dich nützlich«, knurrte der alte Mann zur Begrüßung. Benjamin zuckte zusammen, als er erkannte, mit was sein Opa zugange war. Ein auseinandergebautes Gewehr lag auf der karierten Tischdecke, die bereits schwarze Ölflecken hatte. Er reinigte seinen alten Karabiner.
    »Hier, nimm das. Und sieh zu, ob du da mit der Bürste reingelangst. Ich schaffe das nicht.« Er hob den eingegipsten Arm und hielt in der anderen Hand den Lauf. Benjamin nahm ihm das lange Metallrohr ab, blickte aber unverwandt zu ihm hinunter.
    »Na los. Ich dachte, du bist hier, um zu helfen.«
    »Meinst du nicht, du solltest dich besser ausruhen?«
    Sein Großvater richtete sich unter leisem Stöhnen auf und sah zu ihm hoch. »Noch ein Ratschlag?«
    »Wozu überhaupt die Waffe?«, konterte Benjamin mit einer Frage.
    »Sie muss regelmäßig instandgehalten werden. Es ist wieder an der Zeit gewesen. Verstehst du?«
    Benjamin nickte, obwohl er keineswegs überzeugt war. Er rätselte immer noch, wie sein Großvater die Waffe überhaupt in seinem Zustand hervorgeholt hatte. Wenn sie nicht im Keller gelegen hatte, musste er sie wohl griffbereit im Erdgeschoss aufbewahren. Er beschloss, der Anweisung zu folgen, um keine weitere mürrische Antwort zu erhalten. Er führte die Bürste durch den Lauf und schob sie hin und her, sodass ein hohler metallischer Klang ertönte. Mehrmals führte er den Vorgang durch, dann hielt er das Rohr Richtung Sonne, als wäre es ein Fernglas, und prüfte es auf Unreinheiten. »Hier«, verkündete er, nachdem er sicher war, dass der Lauf wieder makellos glänzte. »Geht doch«, erwiderte sein Großvater zufrieden. »Setz dich.« Jetzt erst bot er ihm einen Stuhl an. Benjamin ließ sich hineinfallen und musterte die Verletzungen genauer. Auf der Stirn klebten zwei Pflaster, hinter denen sich ein

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