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Das Meer in deinen Augen

Das Meer in deinen Augen

Titel: Das Meer in deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Emma nach, als ihre Großmutter schwieg.
    »Er ist in Ostpreußen bei den Russen in Gefangenschaft geraten. Sieben Jahre sollte es dauern, bis wir Gewissheit hatten. Eine Lungenentzündung war es, erfuhr ich später. Einer seiner Kameraden stand vor der Tür, und ich dachte für einen Moment, er selbst sei es. Nicht mehr als Haut und Knochen. Aber der Mann gab mir einen Stapel Briefe von ihm und sagte mir, dass er jeden Tag an mich gedacht habe. Dieser Freund von ihm … und ich … wir sahen uns wieder. Wir glaubten, dass wir uns nicht lieben durften, aber wir konnten nicht anders. Er ist dein Großvater geworden.« Ihre Augen wurden dabei etwas feucht.
    Emma entgegnete nichts. Ihre Oma brauchte jetzt Ruhe, das merkte sie. Ihre Hand zitterte ganz leicht, bis sie irgendwann wieder aufschaute und mit bemüht froher Miene fragte: »Noch ein Ei?« Emma nickte bloß. Nach dem Frühstück stand sie auf und ging in den Garten. Sie blieb eine Weile auf dem Rasen stehen. Hier hatte alles seinen Platz. Die kleine Gartenlaube, die der Efeu berankte. Der Kirschbaum, der schon dicke rote Früchte trug. Darunter die gusseiserne Bank und ein kleiner Tisch. Emma drehte sich zu ihrer Großmutter um, die im Rahmen der Terrassentür lehnte. »Ich sollte besser gehen. Mama macht sich sonst noch Gedanken.«
    »Besuchst du mich wieder?«
    »Na klar, Oma.« Emma umarmte sie und schenkte ihr ein Lächeln zum Abschied. Auf dem Weg zur Bahn schaute sie das erste Mal wieder auf ihr Handy. Eine SMS von Lilly: Kann ich zu dir? Mein Vater dreht durch.
    Klar , schrieb sie zurück.
    »Lilly ist in deinem Zimmer«, teilte ihre Mutter mit, nachdem Emma ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange gedrückt hatte. »Wie geht’s Oma denn?«, rief sie ihr hinterher.
    »Ganz gut.« Emma zog die Tür hinter sich zu und sah Lilly auf dem Bett liegen. Sie hatte die Beine an den Körper gezogen, als wolle sie sich ganz klein machen.
    »Hey, was ist denn los?« Nie hatte Emma sie so gesehen. Oft war sie hysterisch gewesen, hatte sogar geheult, aber nie hatte sie sich so zerbrechlich gezeigt. Emma legte eine Hand auf ihre Schulter und strich über Lillys Rücken. Nur kurz zuckte sie zusammen, dann spürte Emma, wie ihre Berührung die Anspannung löste.
    »Willst du reden?«, fing sie an, nachdem Lillys Atemzüge ruhiger geworden waren.
    »Ich hätte nicht kommen sollen.«
    »Hey, jetzt bist du hier. Hör auf damit.« Lilly ließ ein glucksendes Lachen hören, dass wohl noch schmerzte.
    »Warum tut er das? Warum ist er so zu mir?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Emma wahrheitsgemäß. Sie hatte aufgegeben, auf alles eine Antwort finden zu wollen. Sie hatte das Gefühl, dass Lilly auch nichts anderes erwartet hatte. Ihre Freundin drehte sich um und sah sie aus ihren glasigen Augen an, die schon wieder etwas Hoffnung in sich trugen.
    »Manchmal wünschte ich, es wäre alles wie früher.«
    Emma hob nur die Schultern. »Was bringt es schon? Es bleibt ja doch, wie es ist.«

17
    »Siehst du. Man kann auch mal was Sinnvolles machen«, bemerkte Benjamins Vater beiläufig, als er ihm beim Holzhacken zusah. In einem Bogen sauste der glänzende Keil nach unten, blitzte im Sonnenlicht kurz auf. Benjamin spürte fast keinen Widerstand. Ganz weich und gerade brach das Stück Holz in zwei. Auch die Hitze machte ihm nichts aus. Zwei Wasserflaschen hatte er schon geleert. Das Shirt war schweißdurchtränkt. Sorgfältig stapelte er die Scheite auf den Berg, den er schon zerkleinert hatte.
    Die Wunden verheilten langsam. Blutergüsse und Prellungen blieben. Aber er unterdrückte den Schmerz. Es blieb die verdammte Gleichgültigkeit. Er tat die Arbeit nicht, um seinen Vater zu beeindrucken. Das Spalten der Scheite tat einfach gut. Es bedurfte keiner Entscheidungen, außer die Axt zu heben und sie wieder fallen zu lassen. Es waren bestimmt fünf Minuten vergangen, da stand er immer noch neben ihm und beobachtete ihn. Die Hände in den Hosentaschen vergraben und ein zufriedener Ausdruck im Gesicht.
    »Du hast genug für heute getan«, erklärte er großzügig.
    Benjamin reagierte nicht und hackte weiter, als wollte er zeigen, dass er nicht auf seine Gnade angewiesen war und ihm die Arbeit nichts ausmachte.
    »Hör zu, Opa macht Schwierigkeiten. Nach dem Sturz geht er doch auf Krücken. Seine Pflegerin hat gekündigt … du kennst ihn ja. Er ist nicht besonders einfach.« Sein Vater seufzte und fasste sich an die Stirn. »Ich will, dass du nachher nach ihm siehst,

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