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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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rauchend auf den Bautrupp wartete und nach Feierabend noch immer damit beschäftigt war, Schutt auf die Karre zu schippen. Ein Hotel wolle die Fremde aus dem Haus machen, hatten die Arbeiter erzählt, bestimmt etwas Nobles, warum musste man sonst den alten Gasthof auf einmal Hotel nennen? Davon gab es im Dorf reichlich, und die waren zudem vom Deich geschützt. Ein weiteres Hotel dort unten brauchte man nicht. Und wenn, dann gehöre das Haus abgerissen und sicher hinter dem Deich neu aufgebaut, das würde allemal schneller gehen, billiger auch. Die See würde sich das ihre holen, eines Tages, so viel war sicher, die ließ sich nicht einfach von einer Fremden herausfordern, die Frau würde es früh genug zu spüren bekommen, auch wenn sie tonnenweise Steinblöcke heranschaffen ließ und neue Buhnen anlegte.
    Aber dann hieß es, dass die Zugezogene wirklich arbeiten könne, sich auch von blutenden Händen nicht hindern lasse. Diese kleine Person, vormachen könne man der nichts, hatte ihre Augen überall und verstand etwas vom Häuserbauen. Sie zahlte ordentlich und sorgte dafür, dass auf der Baustelle immer ein Kasten Bier bereit stand, Fleischwurst und Brot dazu. Eine gute Arbeitgeberin sei sie, da gebe es nichts. Man gewöhnte sich an sie, und zumindest die Männer zollten ihr Respekt, wenn sie am späten Abend mit staubigem Haar am Tresen der Dorfschenke erschien, eine Runde warf und selbst ordentlich mithielt. Binnen kurzer Zeit war sie in der Lage, etwas beizutragen in Gesprächen über die zerstörerischen Auswirkungen der Holzbohrmuschel auf die Pfähle, den Vorteil von Sandaufspülungen oder anderen Maßnahmen, um das Land zu halten. Die Neue sei in Ordnung, war zu hören, sollte sie doch ihren Anteil an den Feriengästen haben. Es waren
genug für alle da in diesen Jahren, und die meisten Urlauber, so glaubte man, würden die Sicherheit eines Betts hinter dem Deich sowieso vorziehen, zu windig da vorne, zu rau, nichts für Frauen und Kinder.
    Der Bürgermeister von Halsung beehrte nach einer Spende für den örtlichen Landfrauenverein die Baustelle mit seinem Besuch, wurde herumgeführt und auf Whisky mit Streuselkuchen eingeladen. »Frau Schuhmann, Sie leisten hier Beachtliches!« , habe der alte Saufkopp gelobt und die Konzessionsgenehmigung vorangetrieben. Die zwei Flaschen, die er in der Aktentasche nachhause trug, spielten dabei selbstverständlich keine Rolle.
    Ruth bat um Kredit bei ihrem Stiefbruder, als ihr kleines Vermögen nach fünfzehn Monaten draufgegangen war, gab Zeitungsannoncen in Hamburg wie in Berlin auf und eröffnete im Sommer zweiundsiebzig die erste Saison im Strandhotel. Unter den Gästen: der Freiherr von Kroix zu Wendlingen mit seiner Gattin Elisabeth, die die Anzeige in einem Paket ihrer älteren Schwester zugeschickt bekommen hatte, als Einwickelpapier für eine Packung Beste Bohne aus einer Westberliner Kaffeerösterei.
    Â»Die Zeitung hat so gut gerochen! Und als ich sie mir dicht vor die Nase halte, was lese ich da?«
    Vom »Schicksalssommer« sprach Elisabeth, und Ruth nickte dazu bedächtig, was eigentlich gar nicht ihre Art war. Für Elisabeth war es ein großes Glück, gleich nach dem Tod ihres Mannes eine Aufgabe gefunden zu haben: die »Pionierarbeiten« der Anfangszeit, von denen Ruth natürlich die gröbsten und schwersten bereits geleistet hatte, als sie aufgetaucht war. Trotzdem: »Es ist alles halb fertig gewesen in dieser ersten Saison, vorsichtig ausgedrückt: ein Provisorium. Es fehlte
an jeder Ecke etwas: Möbel, Kücheneinrichtungsgegenstände, von der Gartenanlage gar nicht zu reden! Da konnte ich schon noch etwas tun.«
    Â»Zumal ohne dich ja auch das Geld alle gewesen wäre«, warf Ruth ein, aber Elisabeth winkte nur ab: »Du hättest schon welches aufgetrieben.«
    Der selige Freiherr wurde in den Geschichten von Entstehen und Ausbau des Palau immer nur mit wenigen Sätzen erwähnt, niemals redeten sie schlecht über ihn, dennoch dauerte es viele Abende, bis ich aus verschiedenen Andeutungen ein zusammenhängendes, wenn auch unscharfes Bild von ihm hatte, das sich später dann doch als irreführend erwies. Tatsache war: Er hatte nur einen einzigen Sommerurlaub im Palau verbracht und war, trotz des milden Seeklimas, die ganzen drei Wochen damit beschäftigt gewesen, sich die Lunge aus dem Leib zu husten. Von

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