Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
Vom Netzwerk:
Wohlwollen an und nickte fast schon richtig erfreut. Stolz wollte ich ausführlicher von Manus Qualitäten und denen einer Veranstaltung mit ihr reden, aber das musste warten, denn in diesem Moment bewegte sich draußen in der Elf die Fahne: Es war tatsächlich ein Gast gestrandet und wollte bewirtet werden.
    Seit einigen Tagen lag auf jedem der Plastiktische vor den Caféstrandkörben eine in Folie eingeschweißte Karte, auf deren Titelseite die Handhabung der Bestellfähnchen erklärt wurde. Ich hatte ein gesamtes Wochenende mit dem Anfertigen eingängiger Bildchen verbracht, damit auch ein Grubenarbeiter aus Shijiazhuang, den es an die Ostseeküste verschlagen hatte, nach wenigen Sekunden wüsste, was er tun musste, um ein Getränk oder etwas Essbares zu bekommen. Nach einem weiteren im einzigen Kopierladen von Liefgaard verbrachten Nachmittag war mein Werk vervielfältigt und wetterfest gemacht. Als ich die Karten dann jeweils noch mit einem hübsch geformten Stein beschwerte, um sie am Wegfliegen zu hindern, bescheinigte mir die Tante hingebungsvolle Ausdauer und lebenspraktischen Sachverstand. Ob sich meine Mühe auch in Hinsicht auf die Gäste gelohnt hatte, musste sich noch herausstellen, denn bislang hatte sich noch kein ortsunkundiger Tourist zu uns verirrt, überhaupt kam niemand auf die Idee, freiwillig draußen in der Kälte herumzusitzen und auf mein Kommen zu warten, außer Ruth vielleicht, aber die gab dann andere Signale.
    Jetzt flatterte endlich eines der Fähnchen einsam im Wind,
quasi als Gruß an meine Tüchtigkeit, und ich rief: »Da ist Kundschaft!«
    Alle wandten sich zum Fenster, mindestens zwei Stimmen raunten: »Tatsache!«
    Â»Wir haben zu«, nörgelte Heinrich, dem es trotzdem gefiel, dass ich es ignorierte.
    Â»Egal. Bin gleich wieder da!«
    Â»Siehst du, Lizzy, das meine ich«, hörte ich Ruth sagen, als ich die Tür hinter mir schloss, hatte aber nicht genug Zeit, darüber nachzudenken, was die Tante mit das meinen könnte. Aber es hörte sich nett an, und ich bezog es auf mich.
    Â 
    Beim Herannahen sah ich in der Elf jemanden sich nach seinen Schnürsenkeln bücken, dessen Rücken ich aus Tausenden herausgekannt hätte, an welchem Ort auch immer.
    Ich blieb kurz stehen, dachte: Das kann nicht sein, und trat sehr langsam vor ihn hin.
    Er hatte sich fein gemacht: Das Kinn rasiert, einen frischen Hemdkragen unter das Jackett gezogen, seine zerschlissene Lieblingskappe durch eine neue ersetzt, den Seidenschal umgebunden, den ich ihm zum letzten Geburtstag geschenkt hatte. Über all dem lag ein für diese Temperaturen deutlich zu dünner, aber gut geschnittener Trenchcoat.
    Er saß da, auf rot-weißem Polster, lächelte zu mir hoch, als wären wir verabredet gewesen, sagte, dass ich gut aussähe, nicht mehr ganz so mager, und noch etwas sei anders geworden, er käme jetzt nicht gleich drauf.
    Â»Ich hab mir die Haare gekämmt.«
    Er lachte. »Du bist in jedem Aufzug meine Schöne gewesen.«
    Was sollte man dazu sagen? Ich stand vor ihm und wartete auf eine Erklärung, von der ich wusste, dass sie nicht kommen
würde. Er klopfte auf den freien Platz neben sich, mit einer leichten Drehung des Handrückens, der dem seiner Schwester so ähnlich war, dass es mich schockierte. Ich ließ mich in den Strandkorb fallen, legte den Kopf auf seine Schulter und schaute eine ganze Weile mit ihm gemeinsam auf den trübe verschwimmenden Horizont.
    Â»Papa, was machst du hier?«
    Â»Das hatte ich eigentlich dich fragen wollen, Tochter.«
    Â»Ich arbeite in diesem Hotel, das habe ich dir geschrieben.«
    Â»So ausführlich nun auch wieder nicht.«
    Ich nickte und schob meinen Arm unter seinen. Er nahm ein Lederetui aus der Manteltasche und stopfte sich bedächtig die Pfeife, als hätten wir das Wesentliche bereits geklärt.
    So war er, so ist er immer gewesen, ein Vater, um den man mich zu Schulzeiten beneidet hatte: Jungs mitbringen, mir die Haare grün färben, Schule schwänzen, all das regte ihn nicht sonderlich auf. Er fragte nie, wo ich gewesen war, wenn ich spät oder erst am nächsten Tag nachhause kam, und verlor auch dann sein Zutrauen in meine Verlässlichkeit nicht, als er mich, vierzehnjährig, zum dritten Mal bei Karstadt aus dem Büro des Kauf hausdetektivs auslösen musste. Papa fuhr mich zu den Sozialstunden, die ich daraufhin

Weitere Kostenlose Bücher