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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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Tag zu feiern ist, obwohl du erst so spät damit rausgerückt bist, Herzchen.«
    Â»Wie gut, dass der Hans heute schon gekommen ist!«, sagte Heinrich, und die anderen nickten. Jetzt war er schon der Hans für alle. Demnächst würden sie dann vielleicht noch Papa zu ihm sagen.
    Ich bekam einen weiteren Anfall, der ebenfalls mit einer Flut von warmen Worten übergossen wurde, bis ich schließlich lachen musste, weil das die einzige noch mögliche Reaktion schien.
    Â»Gebt ihr noch etwas zu trinken!«
    Frank sagte: »Ich leg mal andere Musik auf.«
    Erst später wurde mir bewusst, dass ich wegen dreier lausig gedrehter Zigaretten vor der Tür und meiner eigenen Blödheit jene erste halbe Stunde verpasst hatte, in der mein Vater meine Tante leibhaftig kennenlernte.
    Er war tatsächlich anlässlich meines Geburtstags angereist, hatte sich einen Tag beurlauben lassen, für die Nacht im Halsunger Hof einquartiert, und weder er noch Ruth machten den Versuch, eine Umbuchung auf das Palau in Betracht zu ziehen. Er habe sowohl vom Bahnhof als auch vom Taxi aus versucht, bei mir anzurufen und stets nur die Mailbox dran bekommen, sagte mein Vater, als wäre das seine Schuld.
    Bereits im Mai hatte er Manu nach meinem Aufenthaltsort gefragt und darin sofort die Adresse erkannt, an die er eine Todesanzeige seines Vaters hatte schicken lassen. Da hatte er sich seinen Teil gedacht, aber meinen Wunsch nach Abgeschiedenheit respektieren wollen und mich deshalb zunächst in Ruhe gelassen. Doch heute sei er am Morgen dann doch in den Zug Richtung Kiel gestiegen, weil er, trotz seiner hinlänglich
bekannten Abneigung gegen runde Geburtstage, doch auf keinen Fall versäumen wollte, wie seine einzige Tochter die dreißig überschritt.
    An dieser Stelle streckte er seine Hand zu mir über den Tisch, aber ich war zu sehr damit beschäftigt, nicht wieder in Tränen auszubrechen, um eine zärtliche Tochtergeste erwidern zu können, selbst wenn mir jetzt eigentlich danach gewesen wäre.
    Ruth nickte meinem Vater zu, und ich hätte einiges darum gegeben, einen Blick hinter ihre Stirn werfen zu können.
    Â»Wieso kennt ihr euch, und ich weiß davon nichts?«, wollte ich jetzt endlich wissen, und Hans sagte lässig: »Von Kennen kann ja gar keine Rede sein.«
    Â»Ihr lügt doch!«
    Â»Schluss jetzt mit dem Blödsinn!«, schrie Ruth, und mein Vater, der diesen Ton nicht gewohnt war, zuckte zusammen.
    Â»Ich bin davon ausgegangen, dass er längstens informiert worden ist, wo seine Tochter sich aufhält«, sagte die Tante. »Was kann ich dafür, dass du dich mit deinem Vater nicht über dein Leben verständigst?«
    Da hatte sie auch wieder Recht.
    Â»Es ist mir blöd vorgekommen, täglich mit der Nichte zu frühstücken und den eigenen Bruder nie gesprochen zu haben. Und da das Nichtlein nicht den Eindruck gemacht hat, mit der guten Tante über die Familie sprechen zu wollen, und auch keine Nummern rausgerückt hat, habe ich die Todesanzeige hervorgesucht. Dein Vater hatte damals von Hand eine Telefonnummer dazu geschrieben, lange bevor du hier aufgetaucht bist. Ich habe die Nummer gewählt, sie stimmte noch. Hans hat sich erst etwas gewundert, dann haben wir bisschen geredet, und mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Ich muss mich bei dir nicht für meine Telefonate rechtfertigen!«

    Â»Wie lange geht das denn schon?«
    Â»Da geht gar nichts, herrje! Gebrauch zur Abwechslung mal deinen Verstand!«
    Â»Wir haben ganze zwei Mal miteinander telefoniert«, sagte mein Vater. »Ruth hat mich vorhin wegen der Ähnlichkeit mit einem alten Foto unseres Vaters erkannt, sagt sie, und mir ist es ähnlich gegangen: In Opas Nachlass waren Bilder von ihr. Sie sieht noch genau so aus wie mit vierzig!«
    Ruth grinste: »Ist klar.«
    Sie sprachen noch eine Weile über den Umstand, dass der Kontakt zwischen meinem Großvater und Ruths Adoptivfamilie anscheinend doch nicht so strikt unterbunden worden war, wie man ihnen immer eingeredet hatte, das Ganze in einem Ton, als wäre von den Hühnern des Nachbarn die Rede.
    Â»Es überrascht mich, dass er Bilder von mir aufbewahrte«, sagte die Tante.
    Â»Auch die Briefe deiner Adoptivmutter. Lange Briefe über dich. Wie du dich entwickelst und so weiter. Ich schicke sie dir gerne, wenn du willst.«
    Â»Ach, lass mal.«
    Â»Hat jemand von deiner Familie seine

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