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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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gesorgt, dass er von seiner Tochter einen guten Eindruck behält; auf uns ist Verlass!«
    Ruth räusperte sich und sagte: »Wir haben so getan, als würde der Laden hier ohne dich so gut wie zusammenbrechen. Na ja, etwas in der Richtung. Er war jedenfalls froh, dich in unserer Obhut zu wissen.«
    Â»Hans würde nie das Wort Obhut benutzen, wenn er von mir spricht, Tante. Er hält mich für eine erwachsene, selbstbestimmte Person, stell dir das vor!«
    Â»Der Jugend Kenntnis ist mit Lumpen gefüttert!«
    Â»Hä?«
    Â»Alles Liebe zum Geburtstag!«
    Elisabeth hielt mir ein Glas entgegen, in dem zwei Brausetabletten sprudelten.
    Ich sah von einer zur anderen, murmelte ein tief empfundenes: »Danke!«

    Â»Wofür? Geschenke gibt’s später.«
    Â»Ihr müsst mir nichts schenken.«
    Â»So weit kommt’s noch!«
    Dreißig werden zwischen lauter Siebzigjährigen, zwischen diesen Siebzigjährigen, war schon eine sehr spezielle Übung.
    Sie ließen mir noch eine stille halbe Stunde in der Gesellschaft eines auf der Basis von Tomatensaft zusammengerührten Mixgetränks, von Elisabeth angepriesen als Geheimrezept gegen Alkoholschäden. Magen wie Hirn beruhigten sich allmählich beim Blick auf die ewig gleiche Horizontale, von der nur unverbesserliche Romantiker behaupten können, das Meer ändere ständig seinen Ausdruck. Elisabeth hatte Recht, man gewöhnte sich schnell daran, aber dennoch ging es mir mit dieser Gewöhnung gut. Das wilde Leben war anderswo zuhause – abgesehen davon, dass mich nach wie vor nicht danach verlangte.
    Vielleicht war Obhut doch kein so schlechtes Wort. Der Restalkohol machte mich weich, die Palau-Mannschaft tat ihr Übriges.
    Â»Und, wie fühlt sich das, mit drei vorne?«
    Ania überreichte mir, auch im Namen von ihrer Schwester, einen in Plastikfolie eingeschweißten Schal, toxisch anmutend in grell türkis, hundert Prozent Polyacryl, und einem Umschlag mit fünfzig Euro darin. Letzteres rührte mich ernsthaft.
    Â»Im alten Rom war dreißig das Alter, das ein Mann erreicht haben musste, um Volkstribun werden zu können. Gratulation!«
    Heinrich hielt mir ein kaum mehr als fünf Zentimeter großes Päckchen hin, in ein Stück der Titelseite des Halsunger Wochenblatts eingewickelt. Er entschuldigte sich, dass in der
Kürze der zur Vorbereitung auf diesen Tag verfügbaren Zeit kein dem Anlass entsprechendes Papier zur Hand gewesen wäre, und wippte auf seinen Fußballen auf und nieder, während ich eine flache, kreisrunde Messingdose auspackte. Unter dem Deckel erschien schwarz-weißes Ornament unter Glas, sternförmig um eine in Gold gefasste Achatperle angeordnet, im Norden die Lilie, ein Gegenstand wie aus Fluch der Karibik, nur kleiner.
    Â»Ein Taschenkompass für Seefahrer«, erklärte Heinrich, »Kopenhagen, achtzehntes Jahrhundert, damit du deinen Weg gut finden kannst«.
    Dass die Nadel fehlte mochte ich nicht überinterpretieren, es zählte die Geste, und das Ding sah wirklich schön aus.
    Olga drückte mir eine Matruschka, wie ich sie im Halsunger 1-Euro-Laden im Wühlkorb hatte liegen sehen, in die Hand, sagte: »Auch Glück!« Sagte es auf Deutsch, lächelte dabei und entschädigte mich fürstlich für all die ignoranten Küchenbegegnungen und die zahlreichen durch mürrisches Kopfschütteln abgelehnten Bitten um Brot oder mehr Soße während der vergangenen Monate.
    Â»Dem Talmud nach steht der Mensch mit dreißig auf dem Höhepunkt seiner Kraft und Leistungsfähigkeit«, sagte Heinrich, der ein Gesicht machte wie ein Jubilar am Tag seiner Goldhochzeit. Die Tante rief: »Besser wird’s nun also nicht mehr«, und bewahrte mich mit ähnlich aufbauenden Bemerkungen erfolgreich davor, in Rührung zu zerfließen, nachdem mir Sergej eine Porzellanmöwe mit Fisch im Schnabel überreicht, mich geherzt und gesagt hatte: »Ich mache dir ein Essen, das du nie vergessen wirst!«
    Â»Nie Geburtstagskind ohne Pirók!«, schrie Olga, ihren deutschen Wortschatz bis zur Neige ausschöpfend.

    Küsse, Umarmungen, Glückwünsche, es nahm kaum ein Ende, dabei waren noch nicht einmal alle da.
    Gegen elf erschienen Frank und mein Vater, jeder mit einem Paket unterm Arm, innig ins Gespräch über die Rivalität von Dickens und Thackeray vertieft.
    Â»Herzlichen Glückwunsch,

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