Das Meer in Gold und Grau
Tochter! Katia, meine Liebe!«
Papa war in Hochstimmung.
»Ich wünsch dir was«, sagte Frank, und: »Heirate mich, wann immer dir danach ist!«
Irgendjemand hinter mir fand sein Gequatsche komisch und kicherte.
»Woher wusstest du eigentlich, dass ich Geburtstag habe?«, fragte ich ihn und erhielt zunächst nur ein Grinsen.
»Recherche ist die halbe Schreiberei.«
»Sag schon!«
»Ein anderes Mal. Erst Geschenke! Hans, fang du an.«
»Das ist für dich. Hoffentlich gefällt es dir.«
Mein Vater gab mir mit leichter Verneigung sein Paket, eingeschlagen und mit Schleife versehen, was es seit meinem dreizehnten Geburtstag aus Gründen der Müllvermeidung nicht mehr gegeben hatte. So kam ich zu meiner neuen Kamera. Ich hatte noch nicht lange genug mit dem Fotografieren aufgehört, um nicht zu wissen, wie tief Papa in die Tasche gegriffen hatte, um mir, halb entschuldigend, diesen Spiegelreflextrümmer zu überreichen.
»Ich habe immer bedauert, dass du es aufgegeben hast«, sagte er, »und da dachte ich, die Kamera könnte dich dazu bringen, wieder anzufangen.«
So viel aktives Eingreifen in meine Belange seinerseits war mir fast schon unheimlich. Ich fand, dass es ihm gut stand, und versicherte, das Gerät sei ein Traum, worauf er so glücklich
wirkte, dass ich beinahe schon wieder zu heulen anfing. Frank hatte das Paket, das er beim Hereinkommen unter den Arm geklemmt hatte, der Tante gegeben, blau auf rot ringelte sich breites Geschenkband mit dem Werbespruch eines Elektronik-Kaufhauses darum: MEDIENBASAR, blöd sind nur die anderen. Sie warf einen Blick darauf, schüttelte den Kopf und schob es über die Tischplatte: »Da!«
Aus Schichten von Pappe und Styropor legte ich einen schneeweiÃen, nagelneuen Laptop frei. Es dauerte seine Zeit, bis ich mich von der Nachricht erholt hatte, dass er ein gemeinschaftliches Geschenk von Ruth und Elisabeth war. Sie hatten Frank nach Lübeck geschickt, um den Rechner zu besorgen, bevor er mit Hans zum Palau kam, und hatten spontan an die tausend Euro für mich ausgegeben, obwohl sie kein Geld übrig hatten.
»Ihr seid ja komplett wahnsinnig! Alle!«
Sie standen da und sahen aus, als wären sie sehr zufrieden mit sich. Ich schluckte und dankte, schluckte und dankte noch einmal. Und mir fiel partout kein passender Satz ein, den ich hätte sagen können.
»Und diese Kleinigkeit ist von mir«, sagte Frank, »das fehlende Bindeglied für deinen neuen Zugang zu Welt!«
»Meinem was?«
»Damit kommst du ins Netz. Und erinnerst dich, dass eine Welt jenseits der Holsteinischen Landesgrenze existiert, wenigstens virtuell.«
»Wozu?«
»Das heiÃt: Danke, lieber Frank!«
Ich war viel zu weich, um mich mit ihm anzulegen.
Piroggen mit Krabben und Fisch, Torte, Kaffee, Likör, Geschichten: Von allem reichlich aufgetragen. Und extra für mich
wurde, wenn auch völlig überflüssig, an beide Türen ein frisch gepinseltes Schild und doppelter Ausfertigung geklebt:
HEUTE GESCHLOSSENE GESELLSCHAFT!
Ein schöner Tag, einer der schönsten. Als ich abends um halb sieben dem Taxi hinterhersah, fiel mir ein, dass ich nicht mit meinem Vater am Strand spazieren gewesen war und dass ich vergessen hatte, ihm zu sagen, wie froh mich sein Besuch gemacht hatte. Solche Bekundungen seien zwischen uns überflüssig, sagte er später am Telefon, und ich gab ihm Recht, und gleichzeitig bedauerte ich ein bisschen, dass dem so war.
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Frank brachte mich binnen einer halben Stunde online, ich fand siebenundneunzig ungelesene Mails in meinem Postfach und hatte doch nichts verpasst. Die aufgelaufenen Nachrichten von fünf Monaten bestanden hauptsächlich aus Nachrichten vom Telefonanbieter, Sommeraktionen mit Flatrate inclusive, Hinweise auf abrufbare Kreditkartenrechnungen und Ãhnlichem. Drei Mails von Fischer, S., die letzte kaum eine Woche alt, löschte ich ungelesen. Bevor Frank, der mir über die Schulter sah, mich etwas dazu fragen konnte, ging ich auf halsunger-bucht.de und führte den internetabstinenten Damen und Herren bunte Bilder vor.
»Seht ihr«, sagte ich, »hätte das Palau eine Homepage, könnte man es bequem hier finden und vom heimischen Sofa aus ein Zimmer reservieren oder schauen, was für eine Torte auf der Tageskarte steht.«
Vielleicht weil ich Geburtstag hatte, regte sich niemand auf, die Tante klopfte
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