Das Meer in seinen Augen (German Edition)
mehr, dass andere Leute über ihn bestimmten und festlegten, wie er sich fühlte, was er dachte, wie er sich verhalten sollte.
Seine Mutter sah ihn hilflos an. »David«, sagte sie schließlich, wusste aber offenbar nicht weiter.
»Du fragst mich andauernd, was los ist«, brachte David bemüht ruhig hervor. »Du willst ständig irgendwas von mir wissen. Du regst dich auf, wenn ich nichts erzähle oder meine Ruhe haben will. Aber wenn ich dir etwas sage, wenn ich mal antworte, dann glaubst du mir nicht und willst mir einreden, dass eigentlich alles genau so ist, wie du es gern hättest.«
Einen fast unendlichen Moment schwieg sie und sah ihn lediglich mit einem Gesicht an, auf dem sie all ihren Schmerz zur Schau trug. Sie wollte, dass er sah, wie sehr seine Worte sie verletzten. Dann schüttelte sie schließlich langsam den Kopf. »David, das stimmt doch gar nicht.«
Sie sprach das mit einer Selbstverständlichkeit und Empörung aus, dass David sofort überlegte, ob er da nicht doch irgendwie etwas Falsches gesagt hatte. Aber genau das war es, was sie wieder bezweckte. Er fühlte sich nicht unsicher, sie war es, die ihm die die Zweifel einredete.
»Warum glaubst du mir dann nicht einfach, dass das mit Merlin - was Ernstes ist?« Eine unangenehme Stille trat ein. Auch das war wieder Taktik von ihr. Sie wollte, dass er Zeit hatte, über das Gesagte nachzudenken. Und das tat er. Niemals hätte er gedacht, dass er irgendwann mal einfach so zu seiner Mutter sagen würde, dass er ... Die Stille brannte plötzlich in seinen Ohren und er schämte sich für das, was er gesagt hatte. Wie konnte er sich so einfach vor seiner Mutter rechtfertigen?
»Das ist nichts - Ernstes«, sagte sie schließlich ruhig. »Du bist siebzehn Jahre, fast noch ein Kind, woher willst du wissen, dass etwas ernst ist?«
»Weil es sich ernst anfühlt«, presste David hervor.
»Aber das funktioniert einfach nicht zwischen - zwei Jungen.« Sie sah ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an. »Vielleicht hast du jetzt das Gefühl, dass es genau richtig ist, aber das ist nur Schein. Du bist ...« Sie brach ab, aber David wusste, dass sie wieder mit ihrer Verwirrtheit ankommen wollte. Festigung durch ständige Wiederholung. Er presste die Lippen aufeinander.
»Was erwartest du von einem solchen Zusammensein?«, fragte sie.
»Ich weiß es nicht«, sagte David. »Es fühlt sich einfach nur richtig an. Ich - liebe Merlin.« Die letzten Worte wollten ihm kaum über die Lippen, weil es ihm immer noch komisch vorkam, offen darüber zu sprechen. Wieso war es eigentlich so schwierig, etwas auszusprechen, von dem eh schon alle wussten?
»Liebe entwickelt sich, das kommt nicht wie eine Krankheit über Nacht.«
David schluckte. »Das ist keine Krankheit«, sagte er. Jetzt war es an ihm, verletzt auszusehen. »Warum tust du das einfach so ab?«
»Weil es nicht mehr ist, als eine kurzzeitige - Sache.« Sie zuckte mit den Schultern.
»Gut, nehmen wir mal an, dass es wirklich so ist und ich echt keinen Plan habe von dem, was da gerade abgeht. Warum macht ihr dann ein solches Drama darum, wenn es doch eh nur kurzzeitig ist?«
Sie sah ihn böse an. »Weil es einfach falsch ist.«
»Aber woher wollt ihr das wissen?« Die Idee, so lange Fragen zu stellen, bis seine Mutter irgendwann keine Antworten mehr hatte, gefiel David.
»Das weiß man«, sagte sie lapidar. »Es ist nicht richtig, wenn zwei Männer miteinander ins Bett steigen. Das ist von der Natur einfach nicht vorgesehen.«
»Sind das Regeln, die du aufgestellt hast?«, fragte David und grinste breit.
»Nein, das ist ...«
»Mam! Weder du noch sonst wer kann eine Ahnung haben, was ich fühle. Wenn du glaubst, dass es nicht richtig ist, kann ich dich wohl kaum vom Gegenteil überzeugen. Aber du musst mir das schon lassen, dass ich selbst über meine Gefühle Bescheid weiß, okay?«
»Da kommt nichts Gutes bei rum, David.« Sie sah ihn ernst an. »Glaub mir, das ist nicht gut.«
»Für mich schon«, sagte er trotzig. »Wie kommst du überhaupt darauf, dass Liebe nicht gut sein könnte?«
»Das ist keine Liebe, basta!« Langsam wurde seine Mutter sauer. »Außerdem gibt es - Krankheiten«, unterstrich sie ihren Standpunkt und sah ihn gewinnend an.
»Was haben Krankheiten damit zu tun?«
»Macht es dich nicht unsicher, dass man sich bei einer solchen Liebe vor Aids schützen muss?«, fragte sie zurück und zog eine Augenbraue hoch. »Das kommt nicht von ungefähr.«
David wusste nicht mehr, was er
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