Das Meer in seinen Augen (German Edition)
Unbefangenheit, mit der Paolo diese Frage stellte, machte ihm Angst. Es war kein bedrohlicher Ton in seiner Stimme zu finden. Fast machte es den Eindruck, als liefe für ihn alles nach Plan. Und genau das verunsicherte Merlin, weil er gerade der Meinung war, dass eben nicht alles nach Paolos Nase lief. Vielleicht bildete er sich das alles auch nur ein und Paolo hatte gar keinen Plan? Langsam wusste er überhaupt nicht mehr, was er noch denken sollte.
»Und?«, wiederholte sich Paolo und grinste.
»Ich habe - mich noch nicht entschieden«, sagte Merlin leise. »Ich ...« Er brach ab, weil er nicht mehr wusste, was er noch anfügen sollte. Jedenfalls rechnete er jeden Moment damit, dass Paolos Grinsen gefror und gleich das Unwetter losbrechen würde. Doch nichts dergleichen geschah.
»Komm, setz dich zu mir.« Paolo klopfte neben sich auf die Couch.
Merlins Körper setzte sich in Bewegung, obwohl sein Verstand ihm sofort zurief, dass er sich besser nicht auf diese trügerische Ruhe einließ. Doch zu spät. Er setzte sich und sah Paolo in die Augen.
»Was hast du dir für Gedanken gemacht?«, fragte Paolo nach einer Weile. Noch immer klang seine Stimme ruhig und besonnen. Nichts deutete darauf hin, dass er etwas im Schilde führte. Und doch konnte Merlin seinen Instinkt nicht abstellen, der ihn immer wieder warnte.
»Ich habe viel nachgedacht«, antwortete Merlin. »Vor allem habe ich mich gewundert, dass du mich überhaupt wegfahren lässt. Ich meine ...« Merlin zögerte. War es klug, wirklich das auszusprechen, was er dachte?
»Du meinst, weil du zu einem anderen Kerl geflüchtet bist?« Paolo sah ihn belustigt an. Dann lachte er auf. »Du glaubst, ich bin eifersüchtig!«
Merlin war irritiert. »Bist du das denn nicht?«, fragte er perplex. »Immerhin hast du etwas gegen David!«
»Ich habe mir dieses Wochenende genau darüber Gedanken gemacht, Merlin«, sagte Paolo und sah ihn ernst an. Seine Augen funkelten wie schwarze Edelsteine. »Ich habe mich gefragt, warum ich so reagiere und ich finde es sehr bezeichnend, dass du dir wohl ebenfalls genau diese Frage gestellt hast.«
Merlin spürte in sich eine Anspannung aufsteigen, die ihn noch mehr beunruhigte. Irgendetwas musste jetzt kommen, das die ganze bisherige Entwicklung wieder umwarf. Er rieb sich über die Arme.
»Ist dir kalt?«, fragte Paolo und lächelte ihn führsorglich an.
Ein regelrechter Kälteschauer durchfuhr Merlin in diesem Augenblick. Er nickte, schüttelte aber sofort darauf den Kopf. »Nein«, sagte er schnell, weil er befürchtete, Paolo könnte sich ihm nähern.
»Jedenfalls muss ich dir sagen, dass du recht hast«, sagte Paolo schließlich. »Ich habe mich wohl ein wenig kindisch verhalten.«
Merlin traute seinen Ohren nicht. Was sollte das denn jetzt? Die Sache wurde immer unheimlicher und sein Körper verspannte sich. Er dachte kurz daran, einfach die Flucht zu ergreifen, damit Paolo erst gar nicht mehr die Chance hatte, das Gesagte doch noch mal zu widerrufen.
»Du glaubst mir nicht, oder?« Paolo zwinkerte ihm zu.
Total überfordert mit der Situation sagte Merlin einfach: »Kein Wort.«
»Irgendwie wundert mich das nicht, ich habe mich ja auch wirklich wie das letzte Arschloch benommen. Aber eigentlich solltest du wissen, dass ich nicht wirklich so bin. Immerhin bist du ja doch schon fast wie mein Sohn und ...«
Merlin zuckte zusammen, als Paolos Hand auf seinem Bein landete. Erst kroch Kälte durch den Jeansstoff und sorgte dafür, dass er eine Gänsehaut bekam. Dann sickerte die Wärme durch und versetzte ihn in ein Wechselbad. Eigentlich hatte er gerade protestieren wollen. Er war auf keinen Fall sowas wie Paolos Sohn! Niemals! Aber irgendwie schien ihm das gerade nicht mehr so wichtig. Die Hand auf dem Bein kostete ihn seine ganze Aufmerksamkeit.
»Merlin?«, fragte Paolo.
Erschrocken riss sich Merlin in die Realität zurück. »Ja?«
»Träumst du?« Paolo lächelte ihn an. Diesmal hatte Merlin aber das Gefühl, dass da auch noch etwas anderes lauerte. Er zog sein Bein weg und setzte sich schräg zu Paolo.
»Nein«, sagte er. »Also, doch - jetzt gerade schon.« Er holte tief Luft. »Was willst du mir sagen?«
Paolos Lächeln zog sich zu einem künstlichen Grinsen in die Breite. Merlin bewunderte wieder die makellos weißen Zähne. Es war unglaublich, mit was für einem Aussehen dieser Mann gesegnet war.
»Ich will dir sagen, dass ich nichts gegen David habe«, sagte Paolo endlich. »Ich glaube, er ist ein ganz
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