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Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Titel: Das Meer in seinen Augen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L.B. Roth
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Straßenseite. Doch alles was er zu sehen bekam, waren diese beschissenen Lamellen, die ihm die Sicht versperrten. Dennoch wusste er, was jetzt in diesem Moment dort drüben abging. Irgendwie war es schon fast enttäuschend, wie plump Merlin das machte. Es musste ihm doch klar sein, dass man sich alles denken konnte, sobald das Rollo heruntergelassen war. Oder war ihm das schon so egal? Immerhin hätten sie ja auch ein anderes Zimmer nehmen können, in das er nicht hineinschauen konnte. David ließ das Fernglas auf den Boden fallen. In seinem Kopf stach der Schmerz wieder zu.

Mittwoch

    Kalt

    Ich vermisse
    Deine Hand
    In meiner
    Suche vergebens
    Ein Zeichen
    Deines Lebens
    Brauche ich doch
    Einen Halt
    Deine Hand
    Ein bisschen Wärme
    Doch es ist kalt

    M. Nagy

    94

    Als Merlin die Augen öffnete und den bewölkten Himmel durchs Fenster sah, ahnte er bereits, dass er von diesem Tag nicht viel erwarten durfte. Er ertappte sich wieder dabei, die Schule heute in Gedanken einfach ausfallen zu lassen und liegen zu bleiben. Aber es dauert nicht lange, bis ihm klarwurde, dass er lieber zur Schule ging, als einen Tag lang mit seinen Gedanken in diesem Haus zu verbringen. Also stand er schließlich doch auf und stellte sich unter die Dusche. Wieder musste er dabei an Paolo denken. Aber er beruhigte sich schnell mit dem Gedanken, dass er wenigstens David gegenüber die Karten offen auf den Tisch gelegt hatte. Das machte die Sache an sich zwar nicht besser, aber es gab ihr etwas Offizielles. David wusste Bescheid und konnte nun selbst entscheiden, wie er damit umgehen wollte. Merlin schnaubte Wasser von seinen Lippen weg. Eigentlich hatte er David in die Richtung gedrängt, die ihm selbst als einzig richtige vorkam, dachte er. Eine solche Beziehung konnte keine Zukunft haben. Das würde für immer zwischen ihnen stehen, dessen war sich Merlin sicher. Und auch wenn David ihm das alles verzeihen konnte, die Selbstvorwürfe würden doch bleiben. Nein, es war richtig, mit dieser Sache abzuschließen.
    Er stellte das Wasser ab und nahm sich ein großes Badetuch. Gestern abend hatte er regelrecht einen Schock erlitten, als ihm Selma einfach so mitteilte, dass es wieder Zeit wurde umzuziehen. All die Erinnerungen an früher hatten sich plötzlich mit seinen aktuellen Problemen vermischt. Die Angst, all das hier unausgefochten zurücklassen zu müssen und mit diesem Balast irgendwo anders neu anzufangen, hatte ihm geradezu den Atem genommen. Und immer wieder der Schmerz, David nun wirklich zu verlieren. Obwohl er natürlich wusste, dass es keine Alternative gab, hatte er doch still gehofft, dass sie es trotzdem irgendwie schaffen könnten. Diese Gefühle gehörten heute der Vergangenheit an. Irgendwie war er doch froh, dass er seine Probleme einfach stehenlassen konnte und mit seiner Mutter irgendwo neu anfangen würde. Das war ein befreiender Gedanke. Sie würden sich einfach ein neues Leben aufbauen und diesmal vollkommen ohne Lügen. So wie er seine Mutter kannte, würde sie auch nicht mehr lange zögern.
    Plötzlich wurde die Badezimmertür vorsichtig geöffnet. Paolo sah herein.
    »Guten morgen«, sagte er und grinste wie immer sein anzügliches Grinsen.
    Merlin zuckte zusammen. »Erschreck mich nicht so!«, entfuhr es ihm.
    »Entschuldige, aber ich muss mal aufs Klo.« Er zwinkerte ihm zu. »Stört dich doch nicht, oder?«
    Langsam schüttelte Merlin den Kopf. Weshalb war Paolo überhaupt noch da? Normalerweise ging er immer schon viel früher aus dem Haus.
    »Ich habe heute frei«, sagte Paolo, als hätte er seine Gedanken gelesen. Lässig schob er seine Shorts herunter und stellte sich vor die Toilette.
    Merlin wusste, wie sehr sich seine Mutter am Anfang immer darüber aufgeregt hatte, dass Paolo im Stehen pinkelte. Irgendwann hatte sie ihn schließlich dann so weit, dass er sich setzte, obwohl er sich dabei angeblich nicht wie ein richtiger Mann vorkam. Jetzt sah Merlin ihn irritiert an, weil er so demonstrativ gegen die Regeln verstieß. Paolo lächelte finster. Ob Selma schon mit ihm gesprochen hatte? Wusste er etwa schon, dass ihm das Haus bald wieder ganz allein gehörte? Plötzlich wurde Merlin nervös. Für Paolo würde das bedeuten, dass er nichts mehr zu verlieren hatte. Selma wollte ihn verlassen und er, Merlin, würde selbstverständlich mit ihr gehen. Das bedeutete für Paolo, dass er nicht nur seine Beziehung sondern auch seine Affäre verlieren würde. Was sollte ihn dann noch hindern, ihnen das Leben zu

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