Das Meer in seinen Augen (German Edition)
wollte dir nicht zu nah kommen«, sagte Merlin, um seinen begonnenen Satz doch noch zu Ende zu bringen. Kurz überlegte er, ob er ihm einfach sagen sollte, dass er sich in ihn verguckt hatte und sich deshalb so dämlich benahm. Aber das konnte die Sache im Grunde nur verschlimmern, wenn David in der Tat ein Hetero war. Üblicherweise waren die normalen Jungs nämlich alles andere als begeistert, wenn sich ein Schwuler unter sie mischte. Eigentlich konnte man froh sein, wenn man von ihnen toleriert wurde. David wiederum schien besonders tolerant zu sein. Vielleicht ...
»Wie hast du eigentlich herausgefunden, dass du - so bist?«, fragte David unerwartet.
Merlin sah, wie schwer ihm die Frage fiel. Er schaute ihn nicht mal an, so als ob er auf einer Schlachtbank säße und auf den Henker wartete. Aber das musste noch lange nichts heißen, rief sich Merlin in Erinnerung. Es gab viele, die mit dem Thema nicht so offen umgehen konnten, aber dennoch neugierig waren.
»Ich weiß es eigentlich nicht genau«, fing er an. »In der Grundschule fand ich die Jungs einfach viel interessanter. Aber das ist ja auch eher normal. Allerdings hab ich trotzdem lieber mit den Mädels gespielt.« Er lachte.
David sah ihn schüchtern an. »Also weißt du es schon seit frühauf.«
»Ja.« Merlin nickte. »Immer wenn ich mich in jemanden verknallt hab, war es ein Junge. Ich habe mir da aber nie einen Kopf drum gemacht. Liegt wohl an meiner Erziehung.«
David legte einen fragenden Blick auf.
»Na, meine Mutter meinte immer, dass es egal ist, ob ich einen Jungen oder ein Mädchen mag. Ich soll einfach wen mit nach Hause bringen. Sie ist da ziemlich locker.«
»Ihr ist das - einfach egal?« David war bass erstaunt.
Merlin zuckte mit den Achseln. »Ich denke schon, sonst hätte sie mich nicht so unterstützt. Meine Mutter ist aber eh ein wenig anders, als der Durchschnitt.«
»Kann ich kaum glauben, dass eine Mutter da so locker mit umgeht. Ich meine, will sie denn nicht, dass du irgendwann mal Kinder hast?«
»Kann sie das verlangen?«, fragte Merlin zurück. »Sicher fände sie es schön, glaube ich, aber man kann sowas doch nicht planen. Genauso gut könnte ich doch normal gepolt sein, aber impotent, oder meine Frau wäre unfruchtbar, oder ich finde erst gar keine. Ist doch alles möglich. Ebenso, dass ich irgendwann mal den Richtigen finde und man ein Kind adoptiert.« Merlin lachte laut. »Das hat aber noch ewig Zeit, glaub mir!«
David grinste.
»Wie sind eigentlich deine Eltern so?«, fragte Merlin plötzlich und das Lächeln verschwand aus Davids Gesicht. Im gleichen Moment fiel Merlin auf, dass man in diese Frage hineindeuten konnte, dass er David ebenfalls für schwul hielt. Trotzdem wartete er die Antwort ab, ohne seine Frage noch mal abzuändern.
»Also, meine Mutter würde da garantiert nicht so lässig mit umgehen«, sagte David schließlich. »Meine Eltern sind eher konservativ. Eigentlich wundert es mich schon, dass sie überhaupt der Einladung zum Grillen gefolgt sind.«
Merlin nickte. Er war sich nicht sicher, ob er noch weiterbohren sollte.
»Aber, wenn du ein Mädchen mitbringst, ist das schon okay, oder?«
David wurde rot.
»Also, ich meine, sie gehören jetzt nicht zu der Fraktion kein Sex vor der Ehe?«
»Nein, ich glaub nicht«, sagte David.
»Hattest du noch keine Freundin?«, fragte Merlin unvermittelt.
»Doch, klar«, schoss es aus David hervor. »Ich hab sie nur noch nicht mit nach Hause gebracht.« Er schien zu überlegen. »War bisher eher immer was Kurzfristiges.«
Merlin nickte wieder, dann grinste er. »Nur was fürs Bett, was?«
»Genau.«
Das klang exakt so, wie er es von den Jungs aus seiner Klasse kannte, aber irgendwie konnte er es David doch nicht richtig abnehmen. Er wirkte so unerfahren und schüchtern, was dieses Thema anging.
»Wie ist das denn so mit einem Mädchen?«, fragte Merlin, um der Sache noch ein wenig auf den Grund zu gehen. »Ich meine, ich hab ja noch nie ...«
David sah ihn schon fast schockiert an. Dann murmelte er schwach: »Schön.«
Unten ging die Haustür. Merlin entschied sich, David in Ruhe zu lassen. Schließlich wollte er sich das mit der Freundschaft nicht verderben.
»Ich glaube, wir gehen langsam mal runter, oder?«
»Klar«, sagte David erleichtert und sprang auf.
»Wenn du Lust hast, können wir ja nachher weiter quatschen.«
27
David nickte. Aber er war sich nicht sicher, ob er tatsächlich weiter mit Merlin reden wollte. Irgendwie schien der
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