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Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Titel: Das Meer in seinen Augen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L.B. Roth
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alt und schwarzweiß, zeigten wahrscheinlich Merlins Großeltern oder andere Personen, die heute sicher schon alt oder tot waren. Andere waren neueren Datums. Seltsamerweise entdeckte David auf keinen von ihnen Merlin. Aber vielleicht erkannte er ihn auch nur nicht auf Anhieb, schließlich war er nicht zum Fotosgucken hier oben.
    Vier Türen gingen vom oberen Flur ab, wovon eine lediglich angelehnt war. David vermutete, dass sie zu Merlins Zimmer führte. Vorsichtig trat er heran und lauschte. Dann klopfte er zaghaft.
    »Immer rein«, sagte Merlin.
    Langsam schob David die Tür auf und trat ein. Das Zimmer kannte er ja im Grunde schon von seinen Beobachtungen. Aber jetzt befand er sich selbst darin. Zusammen mit Merlin, der ihn gerade beobachtete.
    »Hi«, sagte er leise. »Ich hoffe, ich störe nicht. Deine Mutter meinte, du bist beschäftigt.«
    Merlin saß an seinem Schreibtisch, hatte sich aber zu ihm umgedreht. »Nein, störst nicht. Ich habe nur - was geschrieben.«
    »Was denn?« David stand mitten im Zimmer.
    »Ach, irgendwas. Kannst dich auf mein Bett setzen, wenn du willst.«
    David nickte und ließ sich auf die Bettkante nieder. Kurz dachte er darüber nach, dass Merlin vorletzte Nacht noch hier gekniet hatte und von seinem Freund ...
    »Na, da hatte meine Mutter mal wieder eine ihrer fixen Ideen, was?«, lachte Merlin. »Ich habe es auch erst vorhin erfahren.«
    »Oh, ja, ganz schön überraschend.« David wusste nicht recht, was er sagen sollte und kam sich überhaupt ein wenig fehl am Platz vor.
    Merlin betrachtete ihn eine Weile. Wieder fielen David seine braunen Augen auf.
    »Was machen wir jetzt?«, fragte Merlin und erhob sich. Erwartungsvoll blieb er stehen.
    David zuckte mit den Schultern. Im Grunde fragte er sich schon den ganzen Nachmittag, was sie wohl machen würden, wenn er erst mal hier war.
    »Willst du schon runter?«, fragte Merlin.
    »Keine Ahnung«, antwortete David, obwohl er natürlich nicht runter wollte. Viel lieber würde er sich mit Merlin hier oben unterhalten - den ganzen Abend, wenn es sein musste. »Aber«, fügte er schnell noch an, »dein Vater ist wohl noch nicht da. Eigentlich können wir auch hier oben auf ihn warten.«
    »Er ist nicht mein Vater«, sagte Merlin und zog plötzlich ein bitteres Gesicht.
    »Entschuldigung.« David hatte es vergessen.
    Merlin setzte sich neben ihn aufs Bett. »Mach dir mal keinen Kopf darum.«
    Ein paar Sekunden saßen sie schweigend da. David spürte die Nähe, obwohl sich zwischen ihnen noch genügend Abstand befand. Trotzdem fühlte es sich ganz anders an, mit Merlin hier in seinem Zimmer auf dessen Bett zu sitzen, als in der Schule, wo sie sich mitunter eindeutig näher kamen.
    »Was ist mit deinem Vater?«, fragte David schließlich zögerlich. Er wollte Merlin einerseits nicht an etwas erinnern, das ihn unter Umständen traurig stimmte, aber auf der anderen Seite wollte er auch mehr über die Familienverhältnisse erfahren, damit er vielleicht nicht mehr so bereitwillig in jedes Fettnäpfchen trat. Er fand solche Konstellationen immer besonders schwierig. Irgendwie fühlte er sich automatisch schuldig, weil er schließlich noch beide Elternteile hatte, auch wenn das noch lange nicht bedeuten musste, dass er es damit besser traf ...
    »Ich habe meinen richtigen Vater nie kennengelernt«, sagte Merlin und ließ sich nach hinten fallen. »Bei uns läuft das alles nicht so, wie es in normalen Familien abläuft.«
    David sah ihn fragend an. Er widerstand der Versuchung, sich ebenfalls hinzulegen.
    »Meine Mutter hat einfach irgendwann beschlossen, dass sie ein Kind bekommen will. Also hat sie sich einen Mann gesucht und mich gezeugt.«
    David musste wohl sehr komisch aus der Wäsche schauen, denn Merlin fing plötzlich an zu lachen.
    »Tut mir leid, aber das ist auch schon das ganze Geheimnis. Nichts Dramatisches. Meine Mutter bekommt halt immer was sie will.«
    »Und - du findest - also, das ist okay für dich?«
    »Manchmal macht man sich schon seine Gedanken darüber, aber ich würde sagen, dass ich damit klarkomme.«
    David nickte, doch mit seinen Gedanken war er ganz woanders. Er hatte sich gerade dazu entschieden, dass er den kleinen Schritt wagen und sich doch neben Merlin legen wollte, als dieser sich auch schon wieder erhob.
    »Aber wir müssen jetzt nicht den ganzen Abend über sowas reden«, sagte Merlin und knuffte David in die Seite. »Erzähl mal ein wenig von dir!«
    David wurde augenblicklich rot. Was sollte er von sich

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