Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Titel: Das Meer in seinen Augen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L.B. Roth
Vom Netzwerk:
Junge immer genau seine wunden Punkte zu treffen. Das Verwirrende daran war, dass er sich dennoch in seiner Gegenwart wohl fühlte. Innerlich wusste er, dass er sich Merlin anvertrauen konnte. Vielleicht würde er das auch irgendwann tun. Allerdings nicht jetzt und auch nicht nachher.
    »Ich hoffe mal, meine Ma ist deinen Eltern noch nicht zu sehr auf den Wecker gefallen«, flüsterte Merlin ihm verschwörerisch zu, als sie die Wendeltreppe hinunterstiegen. »Das kann sie nämlich gut. Vor allem, wenn sie glaubt, es mit Spießern zu tun zu haben.«
    David konnte einen missbilligenden Blick nicht vermeiden.
    »Also, wenn sie meint, es seien Spießer. Heißt natürlich nicht, dass deine Eltern ...«
    »Ach, schon in Ordnung«, gab David nach. »Ich glaube, meine Eltern sind Spießer.« Im ersten Moment war er tatsächlich ein wenig entrüstet gewesen, dass Merlin seine Eltern einfach so in eine Schublade gesteckt hatte. Aber letztlich konnte er es nicht leugnen. Wenn er an Merlins Mutter dachte, seine eigene hätte niemals jemanden einfach so das Du angeboten. Gegen Selma wirkten seine Eltern geradezu eisig.
    Als sie unten ankamen, lehnte sich Merlin noch mal zurück und sah ihn über die Schulter hinweg an. »Also, wenn du keinen Bock mehr haben solltest, gib mir einfach ein Zeichen, dann verschwinden wir. Ich glaube, meine Mutter kann mit ihrer lockeren Art mindestens genauso nervig sein, wie der schlimmste Spießer.«
    David lachte.
    »Was gibt's denn hier zu gackern?«, rief Selma plötzlich und kam auf sie zugelaufen.
    »Mensch, Ma! Erschreck mich nicht so«, sagte Merlin, der in der Tat zusammengezuckt war. Jetzt hielt er sich theatralisch die Hand vor die Brust und tat, als müsste er zusammenbrechen.
    »Hör mit dem Quatsch auf!«, sagte Selma. »Wir warten schon.« An David gerichtet sagte sie: »Was willst du trinken? Merlin hat dir doch sicher nichts angeboten. Bier?«
    Sie sah ihn vollkommen ernst an, so dass David nicht wusste, wie er sich verhalten sollte. Natürlich hatte er Lust ein Bier zu trinken, wie Männer das nun mal so taten. Aber seine Mutter würde ganz sicher einen dummen Spruch ablassen, nach dem Motto, dass er doch noch viel zu jung sei, um Alkohol zu trinken.
    »Limo, wenn es geht«, sagte er schließlich und erntete von Merlin einen fragenden Blick.
    »Du ein Bier, Lin?«, fragte Selma.
    »Ähm.« Merlin schien zu zögern. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein, ich nehme auch eine Limo.«
    Selma sah sie irritiert an. »Was ist denn mit euch los, Männer?« Sie lachte. »Na gut, dann eben Limo. Aber ich habe auch Milch, wenn ihr euch noch mal umentscheiden wollt.«
    David kam sich vollkommen bescheuert vor. Merlin hatte absolut recht. Seine Mutter war auf eine ganz andere Art merkwürdig. Aber David glaubte, dass man es mit so einer Mutter gut aushalten konnte. Immerhin schien sie das Leben einfach so zu nehmen wie es gerade kam. Wenn jemand Lust hatte, Bier zu trinken, obwohl er erst siebzehn war, dann sollte er eben - genauso, wie man einfach so vollkommen natürlich schwul sein durfte. Zum ersten Mal dachte David darüber nach, wie schön das Leben sein könnte, wenn alles so natürlich wäre, wenn man einfach man selbst sein dürfte, ohne sich Gedanken darüber machen zu müssen, wie das wohl von anderen aufgenommen werden könnte.
    »Hey.« Merlin stieß ihn an. »Träumst du?«
    David blinzelte. Selma war in die Küche verschwunden und suchte Getränke zusammen.
    »Äh, ja«, sagte er und grinste.
    »Komm, wir gehen raus.« Merlin lächelte ihm zu, drehte sich um und marschierte durch das Wohnzimmer auf die offene Terassentür zu. David folgte ihm. Vor seinen Augen sah er aber noch immer das bezaubernde Lächeln des Jungen, in den er sich verliebt hatte. In Gedanken hielt er inne. Was war das? Hatte er gerade wirklich gedacht, dass er in Merlin verliebt war? Wie zufällig tauchten wieder die braunen Augen vor ihm auf, das strahlende Lächeln mit den hübschen, weißen Zähnen. In diesem Blick lag etwas, das ihn tief berührte, etwas, das ihm sagte, dass er sich hier auf jeden Fall sicher fühlen konnte.
    »Davi, komm, setz dich hier rüber!«, zerriss seine Mutter das Bild und plötzlich fand er sich mit einem Fuß auf der Terasse in der Realität wieder. Merlin setzte sich gerade auf einen freien Stuhl. Ein rascher Blick verriet David, dass er sich wohl oder übel neben seine Mutter setzten musste, die ihn stolz angrinste. Aber immerhin würde er auch neben Merlin sitzen. Sein Vater

Weitere Kostenlose Bücher