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Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Titel: Das Meer in seinen Augen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L.B. Roth
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natürlich gleich bemerken, dass er aufgrund ihres Satzes rot geworden war und dies selbstverständlich richtig deuten.
    Merlin stieß ihn an. »Hey, der Hürling guckt schon«, flüsterte er.
    David hob seinen Kopf und gab sich Mühe, nicht in Lindas Richtung zu schauen.
    »Herr Gessen«, sagte Hürling und lächelte süffisant. »Vielleicht können Sie uns die Lösung sagen?«
    »Ich ...« Davids Stimme brach.
    »Wie bitte? Ich kann sie schlecht hören. Kommen Sie doch mal nach vorn und lösen Sie die Aufgabe an der Tafel.«
    David wurde schlecht. Alle Augen waren auf ihn gerichtet. Zumindest hatte er jetzt einen Grund, rot zu sein. Wie in Zeitlupe erhob er sich von seinem Platz. Panisch suchte er sein Heft ab, das aufgeschlagen vor ihm lag. Aber er hatte ja nicht mal mitbekommen, um welche Aufgabe es überhaupt ging. Also riss er sich von seinen Hausaufgaben los und ging an die Tafel. Hürling reichte ihm ein Stück Kreide und räumte das Feld. An der Tafel stand eine Funktion, deren Schwierigkeitsgrad nicht sonderlich hoch war. Doch die Zahlen und Buchstaben verschwammen vor Davids Augen.
    »Sie dürfen anfangen«, sagte Hürling. »Und bitte nicht vergessen: Sprechen Sie laut mit, Ihre Mitschüler wollen wissen, was sie machen.«
    David sah Hürling wie durch ein umgedrehtes Fernglas. Dann drehte er sich um und warf einen Blick in die Klasse. Alle starrten ihn erwartungsvoll an. Kurz machte er Lindas Gesicht aus. Merlin nickte ihm zu. Er drehte sich wieder um und setzte langsam die Kreide auf die Tafel. Linda wusste es! Sie hatte ihn beobachtet, wie er Merlin angeschaut hatte. Im Grunde stellte das kein großes Problem dar, da sie ja schließlich mit Merlin befreundet war und somit wohl kaum etwas gegen Schwule hatte. Aber wenn es Linda wusste, dann würde es schon bald die ganze Klasse wissen.
    »Wir warten, Herr Gessen«, sagte der Hürling.
    David schluckte. Jemand hinter ihm kicherte. War das Linda? Sicher führte sie sein Versagen jetzt auf ihr Briefchen zurück. Er konnte sich verhalten, wie er wollte, er würde sie immer in ihrer Annahme bestätigen. War es wirklich so schlimm, wenn sie es wusste? Immerhin wäre es ein Ansatz, um es auch vor Merlin zuzugeben.
    »Wo sind die Schwierigkeiten?«, fragte Hürling plötzlich und riss ihn aus seinen Gedanken.
    »Ich - ich ...« Mehr brachte David nicht heraus. Er sah seinen Lehrer niedergeschlagen an. Ein letzter Blick zur Tafel bestätigte ihm, dass er jetzt gerade einfach nicht in der Lage war, die Ableitungen der Funktion durchzuführen.
    »Vielleicht sollten Sie beim nächsten Mal doch besser aufpassen, oder?«
    David nickte. Am liebsten wäre er aus der Klasse gerannt und nie wieder zur Schule gegangen.
    »Setzen Sie sich!« Hürling trat wieder ans Pult. »Wer macht es mal vor?«
    Ein Mädchen mit schwarzen Haaren schnippte wie wild. David ging an ihr vorbei zu seinem Platz und setzte sich.
    »Ey, was war das denn?«, raunte Merlin sofort. Fassungslos schüttelte er den Kopf. »Ich denke du kannst den ganzen Scheiß.«
    »Blackout«, sagte David knapp. Er wollte jetzt bestimmt nicht diskutieren, weshalb er bei der simpelsten Aufgabe versagt hatte.
    »Aber du machst sowas doch im Schlaf.« Merlin konnte es wohl nicht fassen.
    David schnaubte. Natürlich konnte er den Mist ohne zu überlegen. Normalerweise. Er sah auf sein Heft, in das er die komplette Lösung der Aufgabe innerhalb von ein paar Minuten niedergeschrieben hatte. Wütend klappte er es zu. Lindas Briefchen wurde vom Luftzug über den Tisch getragen und landete unmittelbar vor Merlin. David saß völlig starr vor Schreck auf seinem Stuhl. Mit einem Mal lief alles um ihn herum quälend langsam ab, aber dennoch viel zu schnell, um etwas zu unternehmen. Merlin sah ihn kurz an, dann schaute er auf den Zettel. Es dauerte eine Ewigkeit, bis er wieder aufsah. Eine Ewigkeit, in der sich David tausendfach angeschrien hatte, Merlin das Briefchen wegzunehmen. Aber bevor es dazu kam, war es zu spät. Merlin sah ihn wieder an.
    »Von Linda?«, fragte er.
    David verstand sofort, dass Merlin mit dieser Frage wissen wollte, ob das Briefchen für ihn war. Selbstverständlich hatte er längst an der Schrift erkannt, dass es von Linda kam. David wollte nicken, wollte bestätigen, dass man ihn nicht meinte, dass er Merlin nicht anglotzte. Stattdessen sprang er auf und ging zur Tür.
    Hürling hielt mitten in seinen Erklärungen inne und sah ihn teils verärgert, teils verwundert an.
    »Ich muss aufs Klo«, sagte

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