Das Meer in seinen Augen (German Edition)
anders, aber das heißt doch noch lange nicht, dass sie asozial sind.«
»Warum bist du auf Socken rübergekommen?«
David schwieg einen Moment. Dann sagte er: »Ich war zu faul mir die Schuhe anzuziehen.«
38
Paolo starrte ihn finster an.
»Mir ist das egal, ob du extra für mich früher aus der Arbeit kommst oder nicht«, sagte Merlin. Er war fest entschlossen, diesen Nervenkrieg nicht zu verlieren.
»Wenn es dir egal ist, warum schläfst du dann mit mir?« Paolo lächelte, während seine Augen weiterhin kalt blieben.
»Ich - ich werde nicht mehr mit dir schlafen.« Merlin ärgerte sich, dass seine Stimme nicht so fest klang, wie er es eigentlich beabsichtigt hatte.
»Ach«, machte Paolo und setzte ein liebenswürdiges Gesicht auf. »Warum denn nicht?«
»Weil ich - verliebt bin«, antwortete Merlin. Innerlich fasste er sich an den Kopf. Warum erzählte er das? Warum ließ er sich auf Diskussionen ein? Er musste die Beziehung zu Paolo dringend wieder in geregelte Bahnen lenken. Das würde aber sicher nicht klappen, wenn er weiterhin den naiven Jungen gab.
»Das ist ja herrlich! Du bist verliebt!« Paolo lachte. »Weiß dein neuer Freund denn von mir?« Seine Augen funkelten bösartig.
Merlin schluckte. Er zwang sich, nicht zu antworten. Ohnehin hatte er sich schon zu sehr auf dieses Frage-Antwort-Spiel eingelassen.
»Dachte ich es mir doch. Du willst mich verheimlichen, was?« Jetzt zwinkerte Paolo ihm zu. »Ich finde es schon interessant, wie du mich benutzt.«
Merlin schloss die Augen. Natürlich wusste er, dass das alles Taktik war. Paolo war ein durch und durch berechnender Mensch, nicht umsonst hatte er den Chefsessel bei Elco inne. Trotzdem fanden die Worte ihren Weg und trafen.
»Weil du zu feige bist, dir einen richtigen Freund zu suchen, lebst du deine Triebe mit mir aus«, sagte Paolo und klang betroffen. »Aber sobald du einen anderen findest, willst du mich abschieben.«
Merlin dachte daran, dass Paolo selbst ja mit seiner Mutter zusammen war. Für ihn war er also auch nur ein Spaß nebenbei. Warum sollte es umgekehrt anders sein? Doch das traute Merlin sich nicht auszusprechen. Er wollte seine Mutter nicht erwähnen. Sie sollte nicht Gegenstand des Streits werden. Sicher würde er sie sonst gegen ihn einsetzen.
»Wie war dein erstes Mal mit mir eigentlich?«, fragte Paolo mit unerwartet kumpelhafter Neugier. Fast wollte Merlin antworten, doch Paolo sprach weiter: »Es war angenehm, sich keine Sorgen machen zu müssen, was? Immerhin bin ich ja der Freund deiner Mutter und die wird sich ja wohl kaum einen Schlächter aussuchen, oder?«
Merlin schluckte. Da war sie also doch, seine Mutter. Paolo hatte es ausgesprochen und die Last über ihm abgeworfen. Eigentlich hätte er damit rechnen müssen. Seine Mutter war Paolos bestes Ass. Er würde sich einfach aus der Affäre ziehen können, wenn es hart auf hart kam. Aber er, Merlin, würde sich nicht so leicht von seiner Mutter trennen können. Als ihm dies klar wurde, knickten seine Beine ein und er setzte sich aufs Bett.
»Was ist, Kleiner?«, fragte Paolo und stellte sich gleich vor ihn. »War dein erstes Mal etwa nicht sorglos?«
Merlin schüttelte langsam den Kopf. Wenn er an die zahllosen Ängste dachte, die ihm durch den Kopf gegangen waren, während er mit Paolo geschlafen hatte, fühlte er sich absolut elend. Natürlich hatte er gewusst, dass es absolut falsch war, mit dem Freund seiner Mutter Sex zu haben. Überhaupt daran zu denken war ja schon verwerflich. Trotzdem war er seiner Lust erlegen, was zahllose Selbstvorwürfe zur Folge hatte. Es war fast ein Wunder, dass er sich noch im Spiegel betrachten konnte, ohne ständig an seine betrogene Mutter denken zu müssen. Wie konnte er überhaupt noch mit Paolo unter einem Dach leben? Plötzlich wunderte sich Merlin, wie er das alles nur aushielt.
»Deine Mutter ist eine nette Frau«, sagte Paolo. »Sie ist unglaublich verständnisvoll. Ich finde es klasse, wie sie mit dir umgeht. Ich bin mir sicher, dass sie auch verstehen würde, wenn du ihr sagst, aus welchen Gründen du mit mir schlafen musstest. Sie würde es sicher genauso sehen.«
Merlin wurde speiübel. Der Gedanke, dass er seiner Mutter sowas sagen müsste, ließ ihm schwarz vor Augen werden. Wie würde sie reagieren? Sie hatte so viel für ihn getan. Wie könnte er ihr jemals gestehen, dass das alles nicht gereicht hatte und er sie deshalb betrügen musste?
»Das ist ein wenig viel für dich, oder?«, sagte Paolo sanft
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