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Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Titel: Das Meer in seinen Augen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L.B. Roth
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eigentlich keine Lust über dieses Thema zu sprechen. Dann stellte er verzögert fest, dass er sich fast verraten hätte und spürte den Schreck, der ihm nachträglich in die Glieder fuhr.
    »Weil du?«, hakte Merlin nach.
    »Ich war der Prügelknabe der Klasse, das ist alles. Davor habe ich Angst. Ich will nicht, dass es hier genauso wird. Aber irgendwie schaffe ich es nicht, anders zu sein.«
    »Warum willst du denn anders sein? Nur weil irgendwem nicht passt, wie du bist?«
    »Wenn du jeden Tag die Schikanen ertragen musst, wünscht du dir ganz schnell, jemand anderes zu sein.«
    Merlin überlegte, dann sagte er: »Ich hatte auch meine Zeit, in der ich nicht so mit mir klarkam. Das war, als mir bewusst wurde, dass ich tatsächlich schwul bin. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass meine Klassenkameraden es alle vor mir wussten. Sie zogen mich damit auf und lachten mich aus. Einmal haben sie mich sogar verprügelt.«
    David sah Merlin mit großen Augen an.
    »Und dann musste ich feststellen, dass das, was sie die ganze Zeit über losgelassen haben, wirklich auf mich zutrifft. Das war ganz schön hart.«
    »Was hast du gemacht?«
    »Mir vorgenommen, dass es niemals jemand erfahren darf.« Merlin lachte. »Irgendwie hatte ich die Hoffnung, dass alles von allein aufhört, wenn ich nur lange genug schweige. Ich wollte nichts mehr, als ganz normal sein. Na ja, dann ist irgendwann meiner Mutter ein Licht aufgegangen. Ich glaube, eine Lehrerin hat ihr von den Übergriffen erzählt. Sie hat mit mir gesprochen und mich für dieses neue Leben fit gemacht.«
    »Wie das denn?«, fragte David und bemerkte, dass er schon halb auf dem Mathebuch lag. Schnell schob er sich wieder zurück.
    »Sie hat mir gesagt, dass ich keine Angst haben muss, nur weil andere der Meinung sind, dass ich anders bin als sie selbst. So was halt: Ich soll zu mir stehen, sie tut das ja auch und es gibt nichts, wofür ich mich schämen muss. Im Grunde der übliche Kram. Aber es hat mir trotzdem geholfen. Und als ich dann irgendwann mal gesagt habe, dass ich wirklich auf Jungs stehe, hörte der Spott allmählich auf. Dafür kamen dann die ganzen neugierigen Fragen.«
    »Ich find das voll cool, wie locker ihr - damit umgeht«, sagte David. Er legte sich wieder zurück. Sein Kopf fühlte sich immer noch an wie mit Watte ausgestopft, aber seine Gedanken erschienen ihm vollkommen klar. Er suchte nach Worten, um sich vor Merlin zu outen. Er wollte es ihm endlich gestehen. Aber ihm fiel keine gute Einleitung ein und je länger er wartete, desto mehr schwand sein Mut. Die Zeit arbeitete gegen ihn.
    »Vielleicht solltest du auch einfach ein wenig mehr Selbstvertrauen haben«, sagte Merlin nach einer Weile. »In erster Linie musst du mit dir selbst klarkommen. Da haben die anderen nichts mit zu tun. Solange du nicht mit dir im Reinen bist, wirst du immer wieder Probleme haben. Wenn du aber zu dir und deinen Macken stehen kannst, was sollte dich da noch aus der Bahn schmeißen?«
    David schloss die Augen. Langsam hob er seinen Arm an und ließ seine Hand unauffällig zu Merlin gleiten. Vorsichtig. Er hatte Angst ihn zu berühren. Dennoch wünschte er sich jetzt nichts mehr.
    »Einen Vorteil hast du hier auf jeden Fall gegenüber Hamburg«, sagte Merlin leise.
    David legte seinen Arm ab. Seine Hand landete auf der Bettdecke ohne Merlin berührt zu haben. Plötzlich kam ihm diese Aktion dumm vor. Am liebsten hätte er seine Hand wieder zurückgezogen, doch das würde sicher sehr auffällig wirken. Wenn Merlin nichts gesagt hätte, dann ...
    »Hier hast du einen Freund«, hauchte Merlin fast unhörbar und als David Merlins Hand auf seiner spürte, zuckte er innerlich zusammen. Nun doch eine Berührung. Ihm wurde wieder schwindelig. Das alles kam ihm irgendwie wahnsinnig theatralisch vor. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Alles erschien ihm falsch. Also hielt er den Mund und ertrug den seltsam peinlichen Augenblick nur, damit er Merlins Hand weiter halten konnte. Dann knisterte Papier. David bemerkte, dass die Matratze neben seinem Kopf ein Stück nach unten gedrückt wurde. Jetzt nur nicht die Augen aufmachen! Sanft strich Merlins Atem über sein Gesicht. Er wusste, dass sie sich gleich küssen würden. Er erwartete es. Wie es sich wohl anfühlen würde. Seine Lippen brannten noch immer und er leckte sich darüber.
    Plötzlich ging die Zimmertür auf. »Merlin, könntest du vielleicht ...«
    Erschreckt sprang David aus dem Bett. »Also, wegen der Aufgaben«, sagte er

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