Das Meeresfeuer
Wilshire, Käpt'n Stanley. « Stanley maß ihn
mit einem nachdenklichen Blick. »Wilshire, so«, sagte er. »Das
kenne ich. Aber das liegt nicht unbedingt am Meer. «
»Die beiden sind nur zu Besuch auf meinem Schiff«,
antwortete Trautman nervös. »Mein Sohn und meine
Schwiegertochter haben mit der Seefahrerei nichts am Hut.
Aber die beiden haben sich gewünscht, einmal ein paar Wochen
mit mir auf Fischfang zu gehen, und in diesem Jahr haben ihre
Eltern es zum ersten Mal erlaubt. «
»Mitten im Schuljahr?« fragte Stanley. Er schüttelte den
Kopf. »Nun, es geht mich nichts an, aber ich finde es nicht sehr
verantwortungsbewußt von Ihnen, mit zwei Kindern an Bord in
einem Kriegsgebiet zu kreuzen, Kapitän Trautman. «
»Wir haben vom Krieg bisher nicht viel bemerkt«, sagte
Mike. »Ich schätze, die Navy hat uns gut beschützt. « Stanley
lächelte, aber Mike war nicht ganz sicher, ob das nicht nur als
Anerkennung für seine Schlagfertigkeit gemeint war. Er hatte
das Gefühl, daß der Mann ihm kein Wort glaubte. »Wie heißt
denn euer Schiff?« fragte Stanley. »Es ist die NAUT –«, begann
Mike, biß sich auf die Unterlippe und verbesserte sich hastig:
»Die NAUTIC STAR. Aber eigentlich ist es gar kein richtiges
Schiff. Nur ein kleiner Kutter. «
»Soso. « Stanley nickte. »Und ihr fischt damit hier vor der
Küste. Eigentlich hättet ihr mein Schiff sehen müssen. Die
GRISSOM kreuzt draußen vor der Küste, nur ein paar Meilen
entfernt. « Er wandte sich an Trautman. »Sind Sie aus östlicher
Richtung gekommen?« »Aus Westen«, antwortete Trautman,
und Stanley schüttelte abermals den Kopf.
»Seltsam. Sie hätten der GRISSOM genau vor den Bug laufen
müssen. Sie ist kaum zu übersehen, wissen Sie. « »Vielleicht...
vielleicht liegt es am Nebel«, sagte Trautman. »Er war wirklich
schlimm. Man konnte sozusagen die Hand vor den Augen nicht
sehen. « Er lachte unecht. »Ich hoffe, wir finden unser Schiff
überhaupt wieder. Es liegt draußen vor Anker. Ich wollte nicht
damit in den Hafen einlaufen. Die NAUTIC STAR ist nicht
groß, aber sie hat einen ziemlichen Tiefgang. «
»Selbstverständlich werde ich Sie und Ihre Enkel zu Ihrem
Schiff zurückbringen lassen«, sagte Stanley. »Aber vorher
müssen Sie mir die Ehre erweisen, mich auf die GRISSOM zu
begleiten und dort mit mir zu essen. Das ist das mindeste, was
ich Ihnen als Dank schulde. Immerhin haben Sie einem
Matrosen der Royal Navy das Leben gerettet. Und ihr beiden –«
Er drehte sich zu Mike und Serena um und lächelte noch breiter.
»– möchtet doch bestimmt einmal ein richtiges Kriegsschiff aus
der Nähe sehen, oder?« »Ich fürchte, dazu haben wir keine
Zeit«, sagte Trautman rasch. »Wir müssen weiter. Wir haben
eine Verabredung, die wir einhalten müssen. Wir haben schon
viel zuviel Zeit verloren. Man wird in Sorge sein, wenn wir
nicht pünktlich kommen. Sie haben es ja selbst gesagt – die
Gegend hier ist nicht besonders sicher. « »Ich kann Sie mit der
GRISSOM ein Stück begleiten«, sagte Stanley.
Trautman winkte ab. »Das ist sehr freundlich, aber nicht
nötig. Wer hätte schon Interesse daran, einem kleinen
Fischerboot etwas zu tun. « Mike fand, daß er sich mit jedem
Wort, das er sagte, weniger glaubhaft anhörte. Er wurde immer
nervöser, und Stanley machte sich nun gar nicht mehr die Mühe,
seine wahren Gefühle zu verbergen. Aber zu Mikes
Überraschung verzichtete er darauf, weiter in Trautman zu
dringen, sondern zuckte nur mit den Schultern. »Ganz wie Sie
wünschen«, sagte er. »Aber dann darf ich Sie wenigstens noch
nach draußen begleiten. «
Mike hatte damit gerechnet, daß sie sofort zum Boot gehen
würden, aber Trautman wandte sich nach rechts und steuerte auf
den Kolonialwarenladen zu, blieb aber nach einigen Schritten
wieder stehen, da die Läden noch immer geschlossen waren. Er
wirkte enttäuscht, was Stanley mit einem flüchtigen Lächeln
quittierte. »Ja, die Provinz«, sagte er spöttisch. »Seit ich
hierhergekommen bin, weiß ich endlich, was man unter einem verschlafenen Nest versteht. Die Leute hier gehen mit den
Hühnern ins Bett, aber sie stehen nicht mit ihnen auf. « Er
deutete auf das Meer hinaus. »Wenn Sie irgend etwas
benötigen, ich bin sicher, daß wir an Bord der GRISSOM alles
–«
»Das ist wirklich nicht nötig«, unterbrach ihn Trautman
hastig. »Wir haben alles, was wir brauchen, vielen Dank. Ich
wollte mir nur einige Zeitungen beschaffen. Wir sind jetzt seit
zwei Wochen auf See,
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