Das Meeresfeuer
Granate
verfehlte sie
wieder um weit mehr als hundert Meter, und dann stellten die
Männer auf dem Schnellboot das Feuer ein; wahrscheinlich,
weil sie begriffen hatten, daß ein gezielter Schuß bei ihrem
Tempo nicht möglich war, und sie nicht genug Munition hatten,
um auf einen Zufallstreffer hoffen zu können. »Hält sie einen
direkten Treffer aus?« fragte Mike nervös.
»Ich hoffe«, antwortete Trautman. »Aber keine Angst – sie
erwischen uns nicht. «
Die NAUTILUS war mittlerweile herumgeschwenkt und hatte
mehr Fahrt aufgenommen. Sie war jetzt fast so schnell wie sie
selbst und wurde immer noch schneller, und eine einzige, aber
gräßliche Sekunde lang mußte sich Mike mit aller Macht gegen
den Gedanken wehren, daß Singh und die anderen vielleicht in
Panik geraten waren und sie hier zurückließen. Natürlich war
das unvorstellbar. Singh würde sie niemals im Stich lassen, das
wußte er. Er hatte irgend etwas vor – aber es vergingen endlose
Sekunden, bis Mike begriff, was. Die NAUTILUS lief nun
genau vor ihnen her. Sie wurde jetzt wieder langsamer; nicht
viel, aber doch genug, daß sich der Zwischenraum zwischen ihr
und dem heranrasenden Boot allmählich wieder verringerte.
Und endlich verstand er Singhs Plan – und es sträubten sich ihm
schier die Haare.
Das Beiboot war normalerweise in einer eigens dafür
geschaffenen Aussparung im Heck der NAUTILUS untergebracht, die nun direkt vor ihnen lag – allerdings auch genau
zwischen den beiden gewaltigen Schrauben, die das Schiff
antrieben. Offensichtlich wollte Singh, daß Trautman das Boot
genau in diese Aussparung hineinsteuerte, so daß sie praktisch
in voller Fahrt zur NAUTILUS überwechseln und unter Deck
gehen konnten. Und da die NAUTILUS immer noch beinahe so
schnell war wie ihr Verfolger, würden sie auf diese Weise keine
wertvolle Zeit verlieren. Der Plan war gar nicht schlecht – leider
aber auch lebensgefährlich. Ein einziger Fehler Trautmans, und
sie würden die Aussparung verfehlen und gegen die Heckflosse
prallen oder von den Schrauben zerfetzt werden. Nervös sah er
zu ihrem Verfolger zurück. Der Abstand zwischen ihnen und
dem Schnellboot war wieder gewachsen. Vielleicht befanden sie
sich sogar schon außer Schußweite. Trotzdem sah Mike noch
keinen Grund, aufzuatmen. Sie hatten nur eine einzige Chance.
»Schaffen Sie es?« fragte er gepreßt. Trautman lächelte nervös.
»Keine Angst«, sagte er – in einem Ton, der ganz dazu angetan
war, das gegenteilige Gefühl in Mike auszulösen. »Aber haltet
euch fest. Es könnte ein bißchen wackelig werden!«
Mike und Serena klammerten sich am Bootsrand fest,
während sie auf die NAUTILUS zuschossen. Ihr Tempo kam
ihm plötzlich gar nicht mehr so viel geringer als das des
Unterseebootes vor – ganz im Gegenteil. Auf dem letzten Stück
schien die NAUTILUS regelrecht auf sie zuzuspringen. Mike
spannte instinktiv alle Muskeln im Leib an, während sie
zwischen den beiden gewaltigen Schaumbergen, die die
Schrauben aufwirbelten, hindurchjagten. Er konnte den
rasenden, so tödlich schnell drehenden Stahl hinter dem
sprudelnden Wasser erkennen und glaubte sogar den Luftzug zu
spüren, den die rotierenden Schrauben verursachten, dann waren sie dazwischen hindurch – und das Boot glitt mit schier
unglaublicher Präzision in den eisernen Hafen, der im Heck der
NAUTILUS eingelassen war, und berührte fast sanft den Rumpf
des Schiffes. Ein dumpfes Klacken erscholl, als die
magnetischen Halterungen einrasteten.
»Schnell jetzt!« schrie Trautman. »An Deck!« Mike sprang
als erster aus dem Boot, fuhr herum und streckte Serena die
Hand entgegen, um ihr zu helfen. Sie ignorierte diese, war mit
einer Bewegung an ihm vorbei und rannte mit gewaltigen
Sätzen auf den Turm der NAUTILUS und die offenstehende
Luke zu. Der hintere Einstieg war verschlossen, und ihnen
würde keine Zeit bleiben, ihn zu öffnen. »Lauf!« schrie
Trautman. »Wir haben kei –« Der Rest des Satzes ging in einem
ungeheuren Dröhnen und Krachen unter. Mike fühlte sich wie
von einer unsichtbaren Hand gepackt und mit grausamer Wucht
auf das metallene Deck der NAUTILUS geschleudert. Er spürte
den Schmerz kaum, aber eine Sekunde lang mußte er mit aller
Macht gegen die Bewußtlosigkeit kämpfen, die seine Gedanken
umschlingen wollte. Rings um ihn herum schien die Welt in
Stücke zu brechen. Das Dröhnen und Krachen wollte nicht
aufhören, und Mike fühlte sich gleichzeitig von eisigem Wasser
durchnäßt und von einem heißen
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