Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht
Fremden unterhält. Man muss nicht an jeder Ecke Bakschisch zahlen. Misstrauensgesellschaften müssen eine Unmenge Grenz- und Transferkosten aufbringen: Rechtsanwälte. Vermittlungsverfahren. Schmiergelder. Kosten für Straflager und Geheimdienste und Spitzel und deren Kontrolleure. Exzessives Controlling ruiniert über kurz oder lang jedoch jede Bilanz. Das gilt für Firmen, für Beziehungen zwischen Individuen wie für ganze Kulturen.
Vertrauen verhindert eine allzu starke Zersplitterung der Gesellschaft in autonome Kulturen. Verhalten wird vorhersagbarer. Vertrauen führt zu spontaner Sozialisation. Ob dies in der freiwilligen Feuerwehr oder in der Genossenschaftsbank, beim gemeinsamen Betreiben eines Tempels oder der Pflege des Trachtenbrauchtums geschieht, ist zweitrangig.
Nach Norbert Elias ist der Zivilisationsprozess ein Prozess der Zentralisierung und Internalisierung. Der Einzelne wird vom Chaos des Lebens, den Wirrungen des gewaltsamen Schicksals entlastet, indem er Verantwortungen nach »oben« abgibt – an Institutionen wie den Staat. Gleichzeitig verinnerlicht er kulturelle Normen und kooperative Verhaltensmuster. Wenn dieser Doppelprozess gelingt, erhöht sich die gesellschaftliche Komplexität – eine Transformation in höhere Arbeitsteilungen entsteht, und damit wächst Wohlstand.
Wohlstand lässt sich als sicherer Zugriff auf existenzielle Lebensgüter definieren. In einer weiteren Drehung auch auf immaterielle Güter wie Gesundheit, Sicherheit, Selbstbestimmung. Und in der nächsten Steigerungsstufe wird Wohlstand ein Synonym für Wohlergehen oder zumindest für die Chance darauf: als Zugang zu Sinnstiftung, Selbstausdruck, Kultur. In
den neuen Wohlstandsmodellen wird nicht umsonst der »Glücksfaktor« als neuer Indikator erforscht. Glück im Sinne von Lebensgestaltung, nicht als »Fun und Genuss«. Das ist die Zukunft des Wohlstands. Ein noch unbeschriebenes Blatt, das wir in diesem Jahrhundert füllen werden, wenn der Wohlstand eine Perspektive haben soll.
Der Superzyklus
Wie stabil ist Wohlstand, wenn er einmal »ausgebrochen« ist? In einer Zeit, in der wir von Verlustängsten geschüttelt werden, scheint dies die Frage aller Fragen zu werden.
Weniger als zehn der heute 190 Länder auf dieser Erde haben in den letzten Jahrzehnten Wohlstandsverluste erlitten. In diesen Ländern ist nicht nur ein Bankensystem zusammengebrochen, sondern in einem langen historischen Prozess so ziemlich alles schiefgegangen, was schiefgehen konnte. Wir alle kennen das Resultat: Hungersnöte, Flüchtlingslager, zerfallende Regierungen, Städte und Hoffnungen.
Doch im Gesamtbild sind das eher Strudel, Turbulenzen in einem mächtigen Strom. Die mächtigen Kräfte der Globalisierung treiben den Wohlstandsprozess immer weiter in jeden Winkel der Erde. Die Prophezeiung, die man im Krisenjahr 2009 in jeder Zeitung lesen konnte – die Finanzkrise sei das endgültige Ende der Globalisierung, nun würden vor allem die Schwellenländer durch den Kollaps der Industrienationen auf den Stand von Armutsgesellschaften zurückgeworfen –, erfüllte sich nicht im Geringsten. Im Gegenteil. China, Indien, Brasilien und andere Länder setzten zu einem beispiellosen Aufstieg an.
Allen Befürchtungen zum Trotz leben wir im größten globalen Prosperitäts-Boom aller Zeiten. In den letzten 200 Jahren gab es drei Phasen hoher wirtschaftlicher Aktivität, mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten, für die manche, die in zyklischen Bewegungen denken, den Begriff »Superzyklen« verwenden. Phasen, die viele Millionen Menschen aus der Armut in den Wohlstand katapultierten. 8
1870 bis 1913 – In der »Gründerzeit« wurde Europa zur ersten dynamischen industriellen Wirtschaftsregion, damit entstand die Grundlage des europäischen Wohlstands.
1946 bis 1973 – Das Wirtschaftswunder brachte Massenproduktion und Massenwohlstand zu allen Schichten in der westlichen Welt, vor allem Amerika erlebte einen ungeheuren Aufschwung, unser heutiges Mittelschicht-Gesellschaftsmodell entstand.
2000 bis 2030 – Die Turbo-Industrialisierung erschließt den Massenwohlstand für die Schwellenländer und schafft echte – nicht mehr nur westlich dominierte – Global-Märkte. Die Urbanisierung und Technisierung großer Volkswirtschaften in Asien und Südamerika erzeugen einen gewaltigen Investitionsboom, der durch steigende Konsumausgaben in diesen Ländern finanziert wird.
Wenn das System der gegenseitigen ökonomischen Kooperation einmal
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