Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht
Zeit, um »abzuheben«. Im mittleren Teil beschleunigen sich diese Kurven, im oberen entschleunigen sie sich. Megatrends haben meist eine sehr lange Anlaufzeit und dann eine sehr langgestreckte mittlere Phase, die ein Jahrhundert umfassen kann.
Doch mit dieser sehr einfachen Darstellung werden wir, wie wir noch sehen werden, den Megatrends nicht wirklich gerecht.
Die klassische S-Kurve
Die Kriterien im Überblick
Megatrends unterscheiden sich also in einigen signifikanten Punkten von anderen, partikularen oder in sonstiger Weise begrenzten Trends. Hier noch einmal zusammengefasst die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale:
Langfristigkeit: Ein ordentlicher Megatrend fällt nicht über uns her, er entwickelt seine Wirkmacht über eine »Inkubationsphase«, die mehrere Jahrzehnte dauert. Seine »Aktivzeit« erstreckt sich meistens über ein Jahrhundert.
Verwurzelung: Megatrends haben tiefe historische Wurzeln, die bis an den Ursprung der Menschheitsgeschichte zurückreichen können. Diese archaischen Kräfte werden durch heutige Umstände und Umwelten »aktualisiert« und verstärkt.
Ubiquität und Komplexität: Megatrends sind niemals nur in Teilbereichen, Branchen oder Spezialgebieten sichtbar. Wie bei einem Wurzelrhizom bilden sie »Zeigerpflanzen« in allen menschlichen Sphären aus. Sie führen zu Veränderungen in der Lebenswelt, der
Ökonomie, dem Konsum, der Politik. Sie beeinflussen auch mentale Bereiche wie Werte, innere Orientierungen und Ähnliches. Megatrends verknüpfen verschiedene Sektoren des Gesellschaftlichen, Politischen, Ökonomischen auf neue Weise.
Globalität: Megatrends haben immer eine globale Tendenz. Das heißt nicht, dass die Entwicklungen auf der ganzen Welt synchron verlaufen. Der Megatrend Frauen oder die Urbanisierung sind natürlich in verschiedenen Regionen des Planeten unterschiedlich ausgeprägt. Aber ihre Dynamik ist dennoch überall vorhanden. Man kann sich streiten, ob der »Megatrend Frauen« auch in Afghanistan geschichtsmächtig ist. Aber auch dort verändert sich die Rolle der Frauen deutlich und nachhaltig …
Robustheit: Megatrends lassen sich niemals durch eine Krise oder einen Rückschlag »aus der Bahn bringen«. Sie scheinen manchmal zu stagnieren oder sogar phasenweise in die gegenteilige Richtung zu marschieren. Aber das ist nur vorübergehend. Die zentrale Trendlinie bleibt intakt.
Langsamkeit: Megatrends haben zwar gelegentlich »Schubphasen«, aber à la longue gilt das Gesetz der Gradualität: Ihre Standardgeschwindigkeit liegt bei einem Prozent pro Jahr.
Paradoxalität: Der Begriff »Megatrend« suggeriert etwas Eindeutiges, Gradliniges, Unwiderlegbares, Lineares. Aber echte Megatrends bewegen sich in Form einer »seltsamen Schleife«, die sie gerade so interessant macht. Sie erzeugen immer einen oder mehrere Retro-Trends – Gegenbewegungen, konträre Drifts. Und aus diesen Retro-Trends entwickelt sich, im Dialog mit dem Haupttrend, eine »seltsame Schleife«. Dies ist der eigentliche Kern, das tiefere Wesen eines Megatrends: seine Nicht-Linearität.
Die seltsame Schleife
Der Begriff »Rekursion« bezeichnet in der Mathematik eine Operation der Rückbezüglichkeit. Eine Formel wird auf sich selbst angewandt oder erklärt sich durch sich selbst. Bei Megatrends findet etwas Ähnliches statt: Sie wirken auf sich selbst, indem sie sich – scheinbar – widerlegen.
Wenn auf einem Kongress vom »Megatrend Mobilität« die Rede ist, nicken alle mit den Köpfen. Jeder weiß, wovon die Rede ist. Wer würde bezweifeln, dass dies eine gewaltige Veränderung ist? Ein typisches »Immer mehr«-Phänomen. Immer mehr Menschen bewegen sich von A nach B. Immer mehr Güter und Waren werden in alle Himmelsrichtungen transportiert. Immer mehr Flugzeuge durchqueren den Himmel. Immer mehr Chinesen besitzen Autos!
Auf dieser Ebene der Betrachtung ist der Mobilitäts-Trend einfach nur linear. Aber kann ein »Immer mehr« immer noch mehr werden? Wo liegt die Grenze? Mobilität erzeugt zwangsläufig eine Nebenwirkung, einen paradoxen Gegeneffekt: Je mobiler wir werden, desto unbeweglicher werden wir auch. Wir stehen im Stau, weil alle sich in Blechgefährten bewegen wollen. Immer häufiger sitzen wir starr vor Bildschirmen, statt uns körperlich zu bewegen. Flugzeuge verbinden die Metropolen im Ein-Stunden-Takt. Aber bis wir am Flughafen sind, sind wir schon körperlich und seelisch deformiert, durch Stau und Stress und Lärm. Und dann stehen wir – auch ohne
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