Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht
entweder schlechter bezahlt oder völlig überfüllt. In den konservativen arabischen Ländern müssen Frauen hingegen alle Optionen nutzen, um aus dem klassischen Lebensentwurf auszubrechen. Entweder sie stehen ganz und gar ihren Mann, oder sie dienen einem. Dieser Mangel an Wahl befördert, auf paradoxe Weise, die reale Emanzipation.
Im Verhältnis untereinander gilt für beide Geschlechter die Regel des Grenznutzens: Wenn eine bestimmte genderspezifische Verhaltensweise
den eigenen (Liebes-, Reproduktions-, Eroberungs-) Interessen nutzt, wird sie präferiert, verstärkt und kultiviert. Wenn androgyne Strategien erfolgversprechender erscheinen, werden diese bevorzugt, und Männer machen auf »metrosexuell«. Wird übertriebene Weiblichkeit belohnt, nutzen Frauen sie zur Emanzipation. Lady Gaga weiß genau, was sie tut. Männer wie Frauen benutzen letztlich Coping-Strategien, bei denen die Männer nur scheinbar die besseren Karten haben.
Wenn wir die Zukunft des Geschlechtervertrages – sprich das Ergebnis des Megatrends Frauen – verstehen wollen, müssen wir also vier hartnäckige Dogmen überwinden:
Männer sind besser.
Es gibt keinen Unterschied.
Frauen sind besser.
Die Zukunft gehört der Gleichheit.
Transgender-Helden
Yvonne Buschbaum war um die Jahrtausendwende eine erfolgreiche Stabhochspringerin. Sie siegte in vielen deutschen Wettbewerben und nahm erfolgreich an Europa- und Weltmeisterschaften und einmal an den Olympischen Spielen teil. Sie liebte Frauen. Und sie hatte das Gefühl, im falschen Körper zu leben. 2007 begann sie eine Hormonbehandlung und ließ sich schließlich operieren.
Im Herbst 2010 saß Balian Buschbaum, wie er seither heißt, mit Dreitagebart, muskulösem Brustkasten und tiefer Stimme in der Talkshow von Markus Lanz. Buschbaum, der inzwischen auch ein Buch über sein Leben veröffentlichte, war zu diesem Zeitpunkt ein »neuer Mann« in einem doppelten Sinn. Er hatte eine Geschlechtsumwandlung unmittelbar hinter sich. Aber auch eine Erfahrung in seinem Leben, die andere Männer nicht haben. Eine Frau zu sein.
Die Sendung mit Balian Buschbaum, der freizügig über seine erotischen Erfahrungen und die Funktionsweise seines Neo-Penis berichtete, war ein unglaublicher Erfolg. Körbeweise Post und serverweise Mails veranlassten die Talkshow-Redaktion, eine zweite Sendung zu machen. Balian Buschbaum erwies sich als witziger,
kluger, für sein Alter geradezu weiser Gesprächspartner. Auf Frauen – fast jeden Alters – übte er eine unglaubliche Faszination aus. Und er wusste auch, warum. »Ich habe anderen Männern die Erfahrung voraus, dass ich weiß, wie eine Frau fühlt – von innen!«, sagte er offen in die Kamera und lachte sein Dreitagebart-Lachen. Mit wie vielen Frauen er denn schon seit seiner Operation geschlafen habe? Noch ein Lachen. Mit weniger, als man vielleicht denkt.
Ein männlicher Mann mit weiblicher Sensibilität und einem stahlharten Riesenpenis als neues erotisches Idol! Das sollte uns zumindest zu denken geben. Das Paradox der Feminisierung besteht – analog zum Globalisierungsparadox – in einer zunehmenden Gleichzeitigkeit von Differenz und Gleichheit. Wo Rollen frei wählbar werden, werden sie keineswegs homogener, sondern differenzierter. Die Zukunft gehört der selbstgewählten Ungleichheit, dem Rollenspiel. In Zukunft werden wir mehr Diven, Prinzessinnen, Dornröschen statt weniger haben. Mehr Machos – aber sicher andere Machos. Es wird Patriarchen geben, aufgetakelte Tussis und »Supermoms« und dazwischen jede Menge Androgyne, Metrosexuelle und chauvinistische Lesben. Es wird mehr Andogynität und mehr »Eindeutigkeit« geben. Und vor allem wird all das nicht mehr lebenslang gelten, als eine Rolle fürs Leben.
Eine friedlichere Welt?
Der Megatrend Frauen hat viele Gesichter, sogar verschleierte. Seine tiefen Wahrheiten, sein produktives Paradox verstehen wir nicht, wenn wir uns entlang der alten normativen Fragen bewegen, etwa: »Wie soll die Quote aussehen?« Es geht um die Frage, ob das »weibliche Element« qualitativ etwas verändern wird in Staat, Gesellschaft, Politik.
Dass Frauen auf einem unauf haltsamen Vormarsch in die Macht- und Einflusspositionen der Gesellschaft sind, lässt sich jeden Tag aufs Neue beobachten. Vor allem in den mächtigen Schwellenländern werden die Karten neu gemischt. In China sind Chefinnen weit verbreitet. In Indien ist dies (noch) nicht der Fall, dort jedoch, wie auch in den arabischen Ländern, steigt
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