Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht
verschiffen, der dort bisher allenfalls zu Gesundheitsschäden statt zu Wohlstand führt.
Aber ist Recycling nicht viel zu teuer? Kommt darauf an, wie knapp und begehrt ein Rohstoff ist. Und wie sich die Recycling-Technik
entwickelt, die mindestens so viele Fortschritte macht wie die Computertechnik (ein klassischer Fall von High-Low-Tech). Stahl wird heute zu 70 Prozent recycelt, Aluminium zu 90. Jeden Tag verfeinern sich entsprechende Technologien. Noch vor wenigen Jahren mussten Tausende von Menschen Müll an Fließbändern sortieren. Heute machen das halb- oder vollautomatische Trennungsanlagen in mehreren Stufen. In der Nähe der belgischen Stadt Antwerpen steht eine Fabrik, die an ein Chemiewerk erinnert. Sie frisst Handys, Computer, Telefone, Fernseher und anderen Elektronikschrott und kocht daraus einen 2000 Grad heißen Brei. Dieser hat 60-mal mehr Goldanteil als eine Ladung Golderz. Er strotzt von Substanzen wie Selen, Platin, Blei, Kupfer, Lithium. Wer morgen reich werden will, muss heute eine Müllkippe kaufen!
Gewiss werden einige Substanzen Knappheiten erleben. Doch das wird die Innovationsrate der Materialkonversion nur noch erhöhen. Oft findet man durch eine leichte Variation des Verfahrens einen Ersatz. So ersetzte man das die Ozonschicht zerstörende Kühlmittel FCKW in Kühlschränken durch ein weniger schädliches. Auch entwickelt sich die »Neue Alchimie« immer weiter: An den Schnittflächen der klassischen Materialtechnik, der Molekular- und Nanotechnik werden immer mehr Moleküle herstellbar. Je selterer und teurer manche Materialien werden, desto schneller wächst der Markt. Je dringender der Bedarf, desto höher der Technologie- und Forschungseinsatz.
So könnte sich die »Rohstoffknappheit« als typischer Kontextirrtum herausstellen – ein Resultat linearer Denkmuster und unterkomplexer Weltmodelle, gewürzt mit einer Prise Straf- und Schuldideologie. Aber können neue Rohstoffe so etwas wie eine »neue Waschmaschine« sein? Wird uns die Neue Alchimie eines Tages einen »Universaldrucker« ermöglichen, bei dem wir alles, was wir brauchen, bis hin zur ganzen Waschmaschine, im Keller »drucken« oder »morphen« lassen? Und dabei unendlich viel Zeit sparen für Liebe, Philosophie und Gärtnern?
Wohl eher nicht …
Die Knappheit Gesundheit
Je weiter die technische Zivilisation fortschreitet, desto mehr wird sie eine Menschen-Ökonomie. Das klingt auf den ersten Blick kontraintuitiv – sind es denn nicht die Maschinen und Roboter und Computer und das darin gebundene Kapital, die für den Wirtschaftskreislauf immer wichtiger werden? Sind Menschen nicht, wie es immer behauptet wird, nur noch Anhängsel der ökonomischen Megamaschine?
Maschinen und Roboter, Produktionsanlagen und auch zunehmend Rohstoffe sind ersetzbar. Was der Markt nur sehr schwer ersetzen, vermitteln und intelligent verteilen kann, sind komplexe menschliche Fähigkeiten. Dabei geht es weniger um Wissen, das man sich aneignen kann – die Weiterbildungsbranche weist heute schon exorbitante Wachstumsraten auf. Das Wissen, das wirklich knapp und begehrt ist, ist Wissen, aus dem Kompetenz erwächst. Einfach ausgedrückt: Können.
In einer klassischen tayloristischen Fabrik sind die Arbeiter dann produktiv, wenn sie anwesend und arbeitsfähig, sprich »nicht krank« sind. Solche Fabriken funktionieren als System, in dem die einzelnen Räder ersetzbar sind. Steigt die Komplexität, wird jedes einzelne Glied des Prozesses immer mehr zum »Knotenpunkt«, der mit allen anderen Punkten verbunden ist. Wo am linearen Fließband durch Wiederholungshandgriffe Input geleistet wurde, entsteht nun organisatorische Produktivität. Die Fabrik wird stärker von Rückkopplungs- und Kommunikationsströmen durchzogen. Der Ausfall eines »Arbeiters« wird damit teurer. Weil er eben kein Arbeiter mit wenigen auszuführenden Handgriffen ist, sondern ein Verbinder.
Aus dieser Entwicklung haben die Kondratieff-Adepten die These formuliert, dass »psychosoziale Gesundheit« den nächsten Produktivitätszyklus antreiben wird. Der »medizinisch-therapeutische Komplex« wird in einer wissensbasierten Ökonomie zum Träger und Treiber der Produktivkräfte. Weil sich alles um Gesundheit im Sinne aktiver Kompetenz dreht.
Aber macht Gesundheit wirklich produktiv?
Zunächst einmal stellen wir fest: Wir werden offenbar kränker. Genauer gesagt: Wir diagnostizieren mehr Krankheiten. In jüngerer Zeit entstehen Syndrome, die vorher kaum existierten:
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