Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht
heute, im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts, im absteigenden Ast eines Kondratieff-Zyklus. Der gigantische Produktivitätsschub durch Computer befeuerte den letzten großen Aufschwung, der seinen Höhepunkt um das Jahr 2000 erreichte. Bis zu diesem Zeitpunkt trieb die Informationstechnologie die Produktivität praktisch aller Branchen voran. (Noch in den sechziger Jahren führten Heerscharen von »Prokuristen« und »Fakturisten« Handlisten über gewaltige Datenmengen. Jede Bank beschäftigte eine endlose Phalanx von Menschen, die Zahlen in Kolonnen eintrugen. Informationen verbreiteten sich langsam und waren teuer.)
Seit 2000 flacht die Produktivitätssteigerung in den meisten westlichen Ländern wieder ab. Das Wachstum in den alten Industriestaaten schrumpft, was letztlich zu den aktuellen Krisen führt. Die Schuldenkrise etwa wäre keine, wenn nach wie vor die Produktivität zwei, drei Prozent pro Jahr steigen würde.
Der Grund, dass wir von diesen Krisen – außer in den wiederkehrenden Panikattacken aus Angst vor dem »Ende des Wohlstands«
– im Alltag eigentlich wenig merken, liegt in der Existenz eines Superzyklus, der durch die gewaltigen Globalisierungsströme hervorgerufen wird. 3 Hunderte Millionen Menschen in den Schwellenländern erklimmen gerade die nächsten Sprossen auf der Leiter des Wohlstands. Sie strömen auf die Konsum- und Nachfragemärkte und sorgen dafür, dass in den alten Industrienationen Unternehmen nach wie vor ihre Markträume ausweiten können.
Der globale Boom wird bis Mitte dieses Jahrhunderts weitergehen. Aber er besteht in seinem Kern in der Sättigung alter Märkte. Auch wenn China, Brasilien, Indien in den nächsten Jahrzehnten eigene, innovative Industrien aufbauen werden, ist damit noch keine Antwort auf die Frage gefunden, was den nächsten Produktivitätsschub auslösen könnte. Wird es eine Technologie sein? Eher nicht, wie wir im letzten Kapitel erfahren haben, jedenfalls nicht eine Technik allein. Um zu verstehen, wie die Geschichte weitergeht, müssen wir herausfinden, was wirklich knapp wird. Wir müssen nicht nur verstehen, was die »nächste Waschmaschine« sein wird. Sondern auch das nächste »Vorlesen«.
Die Knappheit der Energie
Die Welt verbraucht heute täglich 85 Millionen Barrel Öl – bis 2030 könnten es deutlich über 100 Millionen werden. Danach wird der Verbrauch schnell fallen. 4 Das Öl geht zur Neige und wird sich – wie heute schon absehbar – so rapide verteuern, dass es seine energetische Dominanz verliert – trotz aller Effektivitätssteigerungen. Mögliche Kriege und Konflikte um das Öl könnten den Preis weiter verteuern. Alle Einwände (»Es gibt genug Ölsände«, »Immer werden neue Vorkommen entdeckt«) werden am Ende irrelevant, wenn in rasendem Tempo mehr Menschen in einen ölintensiven Lebensstil übertreten. Kann eine Wohlstandsökonomie wie unsere technische Zivilisation ohne den energetischen Überschuss existieren, der in 500 Millionen Jahre alter, komprimierter Biomasse konzentriert ist?
Einer der klassischen Science-Fiction-Trash-Filme zeigt die Menschheit in einem neotribalen Zustand am Ende der fossilen
Zivilisation. In der australischen Wüste kämpfen Banden auf rostigen Pick-ups und Motorrädern um die letzten Rohölfässer. Die einzige Vernünftige in diesem Irrenhaufen ist eine Frau. Gespielt von Tina Turner, gebietet sie im dritten Teil über ein Dorf, das Methangas aus Schweinekot gewinnt. »Mad Max« hat auf geheimnisvolle Weise einen tiefen Eindruck in unseren Weltbildern hinterlassen. Jeder alarmistische Essay im Fernsehen, in dem verlassene Minen und leere Halden gezeigt werden, appelliert an den guten alten Rohstoff-Panik-Menschen in uns. Die Angst, »die Energie könnte uns ausgehen«, treibt Menschen aller Zeitalter um. Den modernen Menschen jedoch ganz besonders.
Energie könnte also jene zentrale Knappheit ausmachen, um die sich in Zukunft alles dreht.
Die gute Nachricht zuerst: Auf unserem Planeten ist genug Energie vorhanden, um auch den Energiehunger einer energieintensiven Zivilisation zu stillen. Dafür muss man weder die restlichen Reserven an Kohle verbrennen, noch Atome spalten oder fusionieren. Die Sonne strahlt mit einer Energie von von rund 1000 KWh pro Quadratmeter in mittleren Breiten, in Äquatornähe mit 2500 pro Quadratmeter. Auf die gesamte Erdoberfläche gerechnet ist das einige tausend Mal mehr als der gesamte Energieverbrauch der heutigen 7-Milliarden-Menschheit. Schon mit
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