Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht
Kinder da sind, sieht die Sache anders aus. Wenn eine langfristige Beziehung zerbricht, zerbrechen auch Routinen, Verträge, Arbeitsteilungen, Bindungen, die lange Zeit produktiv waren, die das Leben strukturierten, ihm nicht nur Sinn, sondern auch Kraft verliehen. Eine gute Ehe ist, zumal wenn sie über Jahrzehnte dauert, ein wahres Kraftwerk. Paare und Familien können komplexe Aufgaben lösen, für die Staat, Unternehmen, Investoren keine Lösungen hätten. Ihr Geheimnis ist Vertrauenskooperation .
Jeder, der schon einmal eine echte Patchwork-Familie von innen erlebt hat – Paare mit Kindern aus mehreren Beziehungen – oder intensiv mit Alleinerziehenden zu tun hatte, weiß, wie gigantisch sich die Aufwände und Transaktionskosten des täglichen Lebens summieren können. Kinder allein aufzuziehen ist so aufwendig, dass selbst gut gebildete Frauen und Männer an dieser Aufgabe verzweifeln – und sozial absteigen. Einen neuen Partner in die schon vorhandene Rumpffamilie zu integrieren übersteigt meistens die persönlichen Energie(spar)potenziale. Viele neue Beziehungen zerbrechen an den Kindern aus vorherigen Beziehungen. Die höchste Armutsrate finden wir weltweit bei alleinerziehenden Frauen.
Man stelle sich vor, wir könnten die sozialen Kosten beziffern, die der Gesellschaft durch zwischenmenschliche Enttäuschungen entstehen. Eine Scheidung hätte dann auch eine beachtliche ökonomische Dimension:
250 000 Euro Einkommensverlust des Mannes (berechnet auf zehn Jahre)
150 000 Euro Einkommensverlust der Frau
300 000 Euro seelisches Schmerzensgeld.
Bei 200 000 Scheidungen pro Jahr in einem Land wie Deutschland kommen erkleckliche Summen zusammen. Man darf natürlich die »Habenseiten des Solls« nicht vergessen. Scheidungsanwälte, Krisenzentren, Nervenärzte, Pharmaindustrie, schlechte Kabarettisten, die Männer-/ Frauenwitze reißen, die Suchtgift-Dealer aus der Alkohol- und Tabakbranche, die Fernsehsender, Ratgeberschreiber, die Dating-Datenbanken und Heiratsvermittler, selbst Kurorte, Puffs und Macho-Autos sind »Gewinner« jedweder verletzten Gefühle. Diese Kompensationsbranchen wiegen jedoch mit ihren Erlösen nicht im Ansatz die Kosten gescheiterter Beziehungen auf. Im Gegenteil, sie verschärfen unentwegt die Dramen, von denen sie sich mästen. Kein Zweifel: Scheidungen vernichten in größerem Umfang Kapital.
Wie wird diese Entwicklung weitergehen? Wenn wir die Zeitungen aufschlagen und Talkshows sehen, ist das Urteil schon gefällt: immer schlimmer. Doch im Gegensatz zur Gewissheit der öffentlichen Meinung – positive Trends kommen in den Medien so gut wie nie vor – ist der »Trend zur Scheidung« heute längst rückläufig. In den Peripherie-Ländern Europas, vor allem den katholischen Kulturen, steigen die Raten noch an. Doch in Skandinavien, England, Kanada, Australien hat die Scheidungsrate inzwischen eine erkennbare Tendenz nach unten. In Deutschland und Österreich geht sie seit 2005 leicht zurück, in den USA schon seit den achtziger Jahren, in einigen Teilen Asiens seit den neunziger Jahren. 8 Wie ist das zu interpretieren? Zunächst wird traditionelle Ehe zum Teil einfach vermieden. Es gibt mehr lebenslange Singles. Es wird später geheiratet, und manche Menschen bleiben ohne Trauschein zusammen. Aber das Ende des Trends zu mehr Scheidungen könnte auch darauf hindeuten, dass Menschen lernen. Dass Kultursysteme adaptiv sind. Dass die soziale Evolution nicht stehenbleibt.
Die Scheidungsrate sinkt besonders dort, wo der Megatrend Frauen durch das soziokulturelle System »erlöst« (oder besser eingelöst) wird. Wo Frauen bis in die Chefetagen vordringen können, ohne kinderlos bleiben zu müssen. Wo Männer differenziertere Rollen spielen können (und wollen), scheinen Männer und Frauen besser und kooperativer miteinander umzugehen. Ein neuer Geschlechtervertrag zeichnet sich ab, der mehr Variabilität ermöglicht. Scheidungen kommen immer noch vor. Sie sind aber nicht mehr so traumatisch, so zerstörerisch wie in der traditionellen Ehekultur. In einer neuen Partnerschafts- und Liebeskultur wird das Zusammenleben vielfältiger, kreativer, abwechslungsreicher – und spannender.
Kreative Kooperation bedeutet, dass wir auf allen Ebenen der Gesellschaft neue Organisations- und Kompetenzformen entwickeln können, die unsere Wandlungsfähigkeit trainieren. Die unsere Fähigkeit zur Selbstkompetenz stärken. Die das Sozialkapital auf breiter Front vermehren. Und die die produktive
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