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Das Midas-Kartell

Das Midas-Kartell

Titel: Das Midas-Kartell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mockler
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Kopf darunter, um mit geschlossenen Augen darauf zu warten, dass er aus diesem Albtraum erwachte.
    Aber nichts geschah. Alles blieb, wie es war. Er nahm ein Geschirrtuch und versuchte behutsam, sich die Haare zu trocknen. Der Unbekannte lag immer noch regungslos auf dem Boden. Markus bemühte sich, nicht auf das Glas in seinem Gesicht zu sehen, und betrachtete stattdessen den restlichen Körper. Der Kerl war bestimmt fast einen Meter fünfundachtzig groß, das war trotz seiner gekrümmten Haltung zu erkennen. Sein dunkles Haar war grau durchzogen, und er trug Handschuhe aus einem eigentümlich schimmernden Stoff mit Antirutschpads an Fingerspitzen und Handballen, die Markus sofort wiedererkannte: Manche Soldaten in Afghanistan hatten sie beim nächtlichen Patrouillendienst getragen. Ein paar seiner Reporterkollegen hatten damals wissen wollen, wo man diese speziellen Scharfschützenhandschuhe bekam, weil sie fanden, dass sie cool aussahen. Kaum denkbar, dass irgendein Londoner Durchschnittseinbrecher solche Handschuhe anzog, um in einem Büro einen Laptop zu klauen. Markus beugte sich über die Leiche. Der Typ hatte was im Ohr, ein hautfarbenes Minigerät. Einen Empfänger. Als sein Kopf wieder anfing, sich zu drehen, setzte er sich auf eine Umzugskiste und zog sein Handy heraus. Reiß dich zusammen, Markus. Reiß dich zusammen. Du schaffst das . Er wollte gerade die Polizei anrufen, als es an der Tür klopfte.
    Â»Markus, bist du da drin?« Das war Albert, der alte Rasta aus der Etage darunter, der den Fulla-Flava-Imbiss in der Electric Avenue hatte. Er nutzte die Wohnung unter Markus’ Atelier als Lager.
    Â»Ja, warte, Albert. Ich komme sofort.« Langsam stand er auf. Mit dieser Sache hier musste er allein klarkommen. Auf gar keinen Fall wollte er seinen Nachbarn in Angst und Schrecken versetzen.
    Â»Alles in Ordnung bei dir, Mann? Was ist das denn hier?«, fragte Albert mit Blick auf den gesplitterten Türrahmen. Markus stellte sich in den Türspalt, sodass Albert nicht an ihm vorbeisehen konnte.
    Â»Ein Einbruch. Ich wollte gerade die Polizei rufen.« Er rieb sich das Gesicht.
    Albert nickte. »Bei mir wollte letzte Woche so eine Gang von Jugendlichen einbrechen. Ich glaube ja, der Gangsta Rap ist schuld daran.«
    Markus öffnete den Mund, schloss ihn dann aber wieder. Er war jetzt nicht in der Lage, über Jugendkultur zu diskutieren.
    Â»Kann ich sonst noch was für dich tun, Albert?«
    Â»Ich hab ein Päckchen für dich. Kam schon gestern. Der Postbote hat es bei mir abgegeben.«
    Â»Danke«, antwortete Markus und nahm das Päckchen entgegen. In dem Moment summte die Gegensprechanlage hinter ihm, und er wandte sich irritiert um. Es summte erneut.
    Â»Hört sich an, als wollte jemand was von dir.« Albert blickte kurz über das Treppengeländer nach unten, konnte aber offenbar niemanden sehen.
    Markus machte einen Schritt in die Wohnung zurück, schloss die Tür und ging zur Gegensprechanlage.
    Â»Hallo?«, sagte er in den Hörer. Keine Antwort. Er meinte zu hören, wie sich die Eingangstür öffnete und wieder schloss. Dann ertönten von unten Schritte.
    Mit Schweißperlen auf der Stirn stand Markus da und starrte auf die Leiche am Boden. Warum hatte er Albert nur aufgemacht? Er hätte ihn einfach ignorieren und sofort die Polizei rufen sollen. Von draußen drang kein Laut herein. Vielleicht war es nur noch mal der Postzusteller, den irgendjemand hereingelassen hatte. Jetzt klimperte es leise vor der Tür, als versuchte jemand, möglichst lautlos Schlüssel aus einer Tasche zu fischen, um niemanden zu wecken. Dann ein Knirschen. Markus erstarrte. Erneut ertönten Schritte, diesmal schwer und resolut.
    Â»Was machst du da? Willst du nachschauen, ob du noch mehr abgreifen kannst?« Alberts Stimme im Treppenhaus klang jetzt wütend und provokant. Die Tür schwang auf.
    Isaiah Schenkel sah drei Dinge – die Leiche auf dem Boden, die Zielperson mit dem Päckchen und einen Zeugen – und traf im Bruchteil einer Sekunde seine Entscheidung. In Situationen wie diesen machte sich bezahlt, dass er jahrelang trainiert hatte, ohne zu zögern mit brutaler Effizienz vorzugehen. Der Mann vor ihm hatte, was er brauchte: den Umschlag. Zuerst musste der Zeuge eliminiert werden. Er stieß den Rasta in die Wohnung und schoss ihm in den Rücken. Kollateralschaden. Der Mann war noch nicht auf dem

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