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Das Midas-Kartell

Das Midas-Kartell

Titel: Das Midas-Kartell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mockler
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machte.
    Das dreitägige Training im walisischen Brecon Beacons National Park hatte nicht nur grundlegende Survival-Techniken beinhaltet, sondern auch den Umgang mit Handfeuerwaffen und wie man das Vertrauen potenzieller Entführer gewann. In seiner Gruppe waren zwei Fernsehreporter und ein Sanitäter gewesen.
    Â»Knipsen Sie, so viel Sie wollen, aber wenn es brenzlig wird, ziehen Sie den Kopf ein und sehen Sie zu, dass Sie den Soldaten nicht im Weg stehen, verstanden?« Der Kursleiter, ein alter Haudegen aus Liverpool, hatte keinen Hehl daraus gemacht, wie er im Ernstfall ihre Überlebenschancen einschätzte.
    Markus und die anderen hatten ernsthaft genickt. Das Training war sehr anstrengend gewesen, doch am Ende war ein ziemlich guter Schütze aus ihm geworden, mit ruhiger Hand und sicherem Auge. Die vielen Jahre mit der Kamera waren eine gute Vorübung gewesen.
    Brenzlig wurde es dann tatsächlich, wenn auch nur einmal. Ein klarer blauer Morgen in Mostar. Markus war mit den UN-Friedenstruppen auf einer Patrouille unterwegs zu einem Dorf, um in Erfahrung zu bringen, ob es dort Truppenbewegungen oder Unruhen gegeben hatte. Zwei Kugeln durchschlugen die Windschutzscheibe ihres Land Rovers, eine erwischte den Fahrer am Arm, die andere zerfetzte die Rückbank, nur Zentimeter neben Markus. Der Fahrer hatte vor Schmerz aufgeschrien, es aber trotzdem irgendwie geschafft, den Fuß durchzudrücken und sie aus der Gefahrenzone zu bringen. Doch dann explodierte eine improvisierte Bombe neben dem rechten Vorderrad, die sie schlitternd in den Straßengraben beförderte. Mitten im Beschuss gelang es Markus, seine Tür aufzureißen und hinauszuspringen. Er packte den Fahrer und zog ihn mit sich in den Graben. Woher die Kugeln kamen, war nicht zu erkennen, um sie herum spritzten Erde und Asphaltstücke auf. Einer der Soldaten erwiderte das Feuer in Richtung der Berge, ein anderer hatte das Funkgerät aus dem Wagen geholt und gab ihre Position durch. Markus empfand eine Mischung adrenalingetränkter Gefühle, Erregung, Frustration, Wut, aber auch Furcht – Furcht davor, dass alles vorbei war, ehe er dazu kam, den Auslöser zu drücken.
    Er hatte eine Rolleiflex-Kamera dabei, ein fast antikes Gerät, das aber so robust war, dass es den Sturz aus dem Auto unbeschadet überstand. Die Linse nahm alles auf, was er sah, das heillose Durcheinander um ihn herum, die aufspritzende Erde zu seinen Füßen, den Land Rover, der auf der Seite lag, den blutenden Arm des Fahrers. Was zum Teufel tun Sie da? , brüllte der Sergeant ihn an. In Deckung, Kopf einziehen! Markus nahm die Hügelkette ins Visier und drehte nach jedem Auslösen den Film ein Stück weiter, dann wandte er sich zu dem wild fluchenden Offizier hinter sich um und knipste eine Serie hässlicher Grimassen.
    Die Schüsse kamen von einer Gruppe Häuser weiter oben am Hang. Der Funker stellte Kontakt zum Lager her und forderte Verstärkung aus der Luft an. In angespannter Stille warteten sie auf den Chinook-Transporthubschrauber. Keiner wagte sich aus dem Graben, um nicht einem Heckenschützen vor die Flinte zu laufen.
    Es war seltsam gewesen, so zu warten. Markus erinnerte sich an die Geräusche des Waldes, an das Kreischen der Dohlen und den Wind in den Bäumen. Die Natur war unempfindlich gegen die Gefahr. Quälend zäh verstrich die Zeit, bis endlich der Helikopter über ihnen auftauchte und den Abhang mit schwerem Geschütz unter Beschuss nahm. Bäume und Häuser zerbarsten, Erdklumpen spritzten auf, und binnen Sekunden war der Weg wieder frei.
    Erst nachdem der Chinook gelandet war und sie den Hügel hochgeklettert waren, um die Lage zu erkunden, entdeckten sie, was sie getroffen hatten: Die kleine Häusergruppe gehörte zu einer Schule. Sie hatten die Koordinaten durchgegeben, doch auf der Basis hatte niemand die Angaben überprüft. Wie ein Gespenst wankte Markus umher und bannte ein Schreckensbild nach dem anderen auf seinen hoch lichtempfindlichen Film, verdrehte und zerfetzte Leichen im nachlassenden Schein der Abendsonne. Meist sah er gar nicht selbst hin, sondern ließ die Kamera sein Auge und sein Gedächtnis sein.
    Als sie wieder im Lager waren, reichte der kommandierende Offizier eine offizielle Beschwerde gegen Markus ein und verlangte den Film aus der Kamera. Diese Fotos werden Sie niemandem zeigen. Sie sind als Kriegsberichterstatter hier und haben nur zu

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