Das Midas-Kartell
haben. Ihm hätte einfach klar sein müssen, dass man ein Bankenimperium nicht über drei Jahrhunderte führen konnte, ohne zu wissen, wie man externe Prüfer in Schach hielt. Wenn man etwas zu verbergen hatte, nahm man sich eben einen Neuling, der das Problem entweder gar nicht erst bemerkte oder nicht den Mumm hatte, es anzusprechen. Und wenn doch, dann konnte man ja immer noch eine Luxus-Hostess und eine Ãberwachungskamera einsetzen, als zusätzliche kleine Absicherung. Verdammte britische Blaublüter. Grinsten einem ins Gesicht und rammten einem gleichzeitig das Messer in den Rücken. Wie damals im Internat. Ein Schauder überlief ihn bei der Erinnerung an das Royal College.
Er zog sich am Regal hoch und ging langsam über den Flur zu den Toiletten. Die Porträts der ehemaligen Direktoren blickten gebieterisch auf ihn herab. Wut begann in ihm hochzukochen. » Fickt euch alle« , murmelte er. Er spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und trocknete sich dann mit dem Handtuch aus ägyptischer Baumwolle ab.
Pieters versteckte Drohung hatte nicht die beabsichtigte Wirkung auf ihn. Daniel war wild entschlossen, die Transaktionen nachzuvollziehen. Er wollte wissen, wo das Geld herkam, von wem es kam und warum es in den offiziellen Dateien nicht auftauchte. Er würde die Datenbank durchstöbern, solange er noch ein funktionierendes Passwort hatte, und sämtliche Informationen der letzten drei Jahre abrufen. Das wären Berge von Daten, aber damit würde er schon klarkommen. Er würde zu Hause arbeiten. Er würde Beweise finden und die Wahrheit aufdecken. Er würde es ihnen zeigen. So lieà er nicht mit sich umspringen.
»Das wissen wir doch alles längst, Daniel. Was glauben Sie wohl, wie wir Sie sonst erwischt hätten?« Das war wieder Malcolms Stimme. Sie zerschnitt die Bilder, die vor ihm tanzten, riss sie in Fetzen. Daniel presste eine Hand auf seine Stirn. Zumindest steckte er nicht im Tank. Im Wasser wusste man nicht, ob man wach war oder träumte. Dass er in diesem Moment wach war, dessen war er sich ziemlich sicher. Die Träume waren verblasst. Jetzt war wieder dieser Mann da, dieser Mann mit dem kantigen Kinn und der Baseballkappe, der nicht aufhörte zu fragen.
Malcolm bemerkte die Veränderung an seinem Gefangenen. Das Zeitfenster, in dem er zugänglich war, hatte sich bereits wieder geschlossen. Er legte seinen Block weg. Schlimmstenfalls könnte er hinterher einen Artikel über den Einfluss von Psychosen bei Verhören veröffentlichen. Seinen Kunden würde das natürlich nicht interessieren, aber die alten Kollegen von der CIA würden sich sicher über ein paar gute Tipps freuen.
»Wenn das alles ist, geht es wieder zurück in den Tank«, sagte er.
»Nein, nein, warten Sie. Ich kann mich auch noch an andere Dinge erinnern. Geben Sie mir nur eine Minute.«
Malcolm riss ihn vom Stuhl herunter und schleuderte seinen federleichten Körper über den Boden. Der Typ war inzwischen nur noch Haut und Knochen. Er packte ihn am Arm und zerrte ihn zur Tür.
»Bitte, bitte. Eine Minute noch, bitte nicht wieder da rein â¦Â«
Malcolm ignorierte ihn, schwang ihn sich über die Schulter und ging über den Hof auf den Tank zu.
Daniel öffnete den Mund und brüllte los, während tief in ihm in Wellen ein Schmerz aufstieg, der Schmerz seiner gebrochenen Seele.
Malcolm blieb ungerührt. Daniel konnte frei entscheiden. All das wäre morgen vorbei, wenn er ihnen sagen würde, wo das Geld war.
22
Ravenshill, Suffolk, England, 14:00 Uhr
Sie hörten den Helikopter, lange bevor sie ihn sahen. Das Knattern der Rotoren trug weit über den klaren blauen Himmel des ländlichen Sussex. Pieter Wittgenstein blickte nach oben und schirmte die Augen ab. Da war ein Punkt am Horizont.
»Meinst du, das ist er?«, fragte seine Frau Saskia und sah auf ihre Armbanduhr. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass er wirklich so ein Ding gekauft hat.«
Pieter meinte, einen Anflug von Bewunderung in ihrer Stimme zu vernehmen, gar nicht viel, aber genug, um den Groll wieder aufleben zu lassen, den er seinem nichtsnutzigen jüngeren Bruder gegenüber empfand.
»Laudon geht es nur um die Show. Das war schon immer so«, antwortete Pieter.
Der Fleck am Himmel wurde gröÃer.
»Ich gehe die Kinder holen, damit sie zusehen können. Wo wird er landen?«, wollte Saskia wissen.
»Auf dem
Weitere Kostenlose Bücher