Das Midas-Kartell
Small Talk.
»Können Sie sich noch an die Story über den Zigarettenschmuggler erinnern, die Sie vor ein paar Jahren gemacht haben? Seine Drohungen gegen die Journalistin?«
»Natürlich ⦠dieser durchgeknallte kleine ScheiÃkerl.«
»Sie haben damals Leute eingesetzt, um auf die Kollegin aufzupassen, nicht wahr? Zumindest für einige Monate, bis die Drohungen wieder aufhörten.«
»Sind Sie in Schwierigkeiten, Markus?« Cameron klang besorgt, aber da war noch etwas anderes in seiner Stimme, ein wachsamer Unterton â eine gute Story roch er meilenweit.
»Ich nicht. Meine Tochter Mila. Ich brauche jemanden, der auf sie aufpasst.«
Eine Pause entstand, in der Cameron überlegte. »Das hat aber nichts mit Ihrer Trennung von dieser Frau zu tun, dieser Köchin, oder? Ich weiÃ, dass die Paparazzi sie schon mit diesem TV-Produzenten erwischt haben, wie heiÃt er noch?«
»Nein, damit hat es nichts zu tun.«
Markus blickte sich um. Die beiden Latinas, zwischen denen er klemmte, hatten begonnen, sich über seinen Kopf hinweg lautstark zu unterhalten.
»Ich habe etwas geschickt bekommen. Einen Umschlag, von einem alten Freund. Mit ziemlich bösem Inhalt.«
»Weiter«, sagte Cameron.
Markus senkte die Stimme. »Polaroids von verscharrten Leichen, seltsame Stoffpüppchen, Unmengen von Daten und Zahlen.« Er unterbrach sich. Jetzt war nicht die Zeit, um die Dinge ausführlich zu erklären. »Es ist nur eine VorsichtsmaÃnahme«, fügte er hinzu und öffnete seine Brieftasche, um seine Kreditkarte herauszunehmen. »Buchen Sie es von meiner American-Express-Karte ab.«
Cameron lieà ein tiefes Brummen hören. »Wissen Sie was, ich verbuche das als Spesen. Solange Sie mir garantieren, dass ich die Story als Erster bekomme. Und ich will die Rechte an den Fotos mit allem Drum und Dran.«
Das war typisch Cameron. Abgezockt wie er war, machte er mitten in einer Krise noch einen Deal.
»Danke«, erwiderte Markus. »Haben Sie noch meine alte Adresse in den Akten? Flood Street?«
»Natürlich. Da wird ab heute Abend jemand davor sitzen.«
Markus schob das Handy zurück in seine Tasche. Er fühlte sich besser, zumindest für den Moment. Am besten ging er jetzt zurück in den Duty-free-Shop und kaufte sich eine Kamera.
29
Ravenshill, Suffolk, England
»Worum geht es denn?« Laudon saà in Pieters Arbeitszimmer, die FüÃe lässig auf dem Schreibtisch seines Bruders. »Was ist so wichtig, dass du mich dafür um die halbe Welt jagst?«
Laudon war zwölf Jahre jünger als Pieter und ein für einen Wittgenstein ungewöhnlich dunkler Typ. Sein Haar hatte er in schwarzen Wellen aus der hohen Stirn gekämmt. Er besaà die gleichen blassblauen Augen und das gleiche schiefe Grinsen wie Pieter, und sein Auftreten verriet ebenso wie das seines Bruders, dass er es gewohnt war, Privilegien zu genieÃen, aber damit endeten die Ãhnlichkeiten auch schon. Laudon hatte in Eton grandios versagt; kurz vor dem A bitur hatte er auf Initiative seines Tutors die Schule verlassen müssen. Die Lehrer waren es leid, dass er, statt zu lernen und sich anzustrengen, lieber nachts aus dem Schlafsaal in die Stadt türmte, um Mädchen aufzureiÃen und Gras zu rauchen. Und Laudon hatte es satt, sich ständig anhören zu müssen, was es doch für eine Schande wäre, dass er nicht so sei wie sein groÃer Bruder.
Sein Vater schickte ihn nach Südafrika, um auf der Farm eines Cousins zu arbeiten. Laudon fand groÃen Anklang bei dem entfernten Familienzweig und Gefallen am Reiten und SchieÃen. Als er dann allerdings mit der Tochter eines der Wildhüter anbandelte, einer gemischtrassigen Schönheit namens Roanna, schickte ihn der Cousin nach Europa zurück. Zwar erlebten die Neunzigerjahre den Beginn einer neuen Ãra in Südafrika, doch die Wittgensteins waren hoffnungslose Kolonialisten.
Von da an lieà er sich treiben, lebte von seinem Treuhandfonds, machte ausgedehnte Reisen und fuhr mehrere Luxusautos zu Schrott. Erst am Sterbebett des Vaters legte er schlieÃlich das Versprechen ab, von nun an ein geregeltes Leben zu führen. Pieter hatte ihrem Vater versprochen, dass er für Laudon einen Platz in der Firma finden würde, auf dem er seine Fähigkeiten voll zum Einsatz bringen konnte. Das Versprechen stand â und nachdem Laudon fünf Jahre lang
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