Das Midas-Kartell
ganze Flasche Scotch.
Er sah die Unterlagen durch, die er dem Angreifer aus der Tasche gezogen hatte. Zwei Pässe, auf verschiedene Namen ausgestellt. Das eine Bild zeigte einen blonden Mann, der schüchtern in die Kamera lächelte. Beruf: Innenarchitekt. Das andere zeigte denselben Mann mit rasiertem Kopf und im Anzug. IT-Berater. Und was war das für ein dickes Blatt Papier, zweimal gefaltet? Es fühlte sich vertraut an, Fotopapier. Sein Magen zog sich zusammen, als er es auffaltete. Mila. Sie hatten ein Foto von Mila aus dem Studio mitgenommen.
28
»Natalie, bist du das?«
»Hier ist Melissa. Natalie ist ausgegangen. Zur Verleihung der Restaurant Awards, glaube ich.«
Melissa war die Kinderfrau, die Natalie auf Guys Geheià eingestellt hatte. Markus hörte im Hintergrund den Fernseher.
»Wie geht es Mila? Hat sie gut gegessen?«
»Klar, sie hat zwar eine kleine Szene gemacht, aber das lag sicher daran, dass ihre Mummy nicht da ist.«
»Ist im Haus alles okay? Ist die Eingangstür abgeschlossen und so weiter?«
»Ãhm, ich weià nicht. Es gibt doch eine Alarmanlage, oder? Dann ist sie wohl abgeschlossen.« Die Kinderfrau fand das Gespräch ziemlich seltsam. Die Mutter hatte sie gewarnt, dass der Exmann auftauchen und Krawall schlagen könnte, sie hätten in der Vergangenheit sogar schon einmal die Polizei holen müssen.
»Okay, dann passen Sie auf, Miranda â¦Â«
»Melissa, ich heiÃe Melissa.«
»Passen Sie auf, Melissa: Wenn Sie irgendwas Ungewöhnliches hören oder sehen, rufen Sie sofort die Polizei. Das gilt nicht nur für heute Abend, sondern auch für morgen, wenn Sie unterwegs sind, egal wo. Halten Sie immer die Augen offen.«
»Worauf soll ich denn achten?«, erwiderte Melissa. Am besten spielte sie sein Spielchen mit.
»Auf jemanden, der immer wieder auftaucht. Vielleicht in einem Auto, auf der StraÃe oder im Café. Warten Sie â¦Â« Er fotografierte die Passbilder mit dem Handy. »Wie lautet Ihre Mobilnummer? Ich will Ihnen ein paar Fotos schicken.«
Melissa zögerte, nannte ihm dann aber die Nummer.
»Sehen Sie ihn?«
Sie betrachtete die Fotos, die auf ihrem Display erschienen. Das Ganze wurde ihr allmählich ein bisschen unheimlich, und sie begann sich zu fragen, ob sie nicht lieber gleich morgen kündigen sollte. Die Agentur hatte nichts von Sicherheitsproblemen in dieser Familie erwähnt; Melissa hatte nur gewusst, dass es sich um Fernsehpromis handelte, die Wert auf ihre Privatsphäre legten.
»Ich sehe ihn, aber Mr Cartright, das stand nicht in meiner Jobbeschreibung. Die Agentur zahlt nämlich eine Gefahrenzulage für Familien mit besonderen Sicherheitsrisiken.«
»Klären Sie das bitte mit Guy, aber zeigen Sie den beiden unbedingt die Fotos. Ach, eines noch, ich möchte, dass pro Tag drei SMS an diese Mobilnummer geschickt werden, okay? Jeweils morgens, mittags und abends. Es muss nichts drinstehen, aber auf diese Weise weià ich, dass es Mila gut geht. Sagen Sie das bitte auch Natalie. Sobald ich keine SMS bekomme, mache ich mich sofort zurück auf den Weg nach England.«
»Ich werde das weiterleiten«, versprach Melissa. Sie würde definitiv ein Wörtchen mit der Agentur reden müssen.
Markus beendete das Telefonat und wählte die Nummer des Bildredakteurs der Sunday Times , ein grauhaariges Urgestein namens Cameron, der immer noch rote Hosenträger trug wie in den Achtzigern.
»Hallo Cameron, hier ist Markus.«
»Markus wie noch?«
»Cartright.«
Es entstand eine längere Pause. Man konnte beinahe hören, wie es in Camerons Gehirn ratterte. »Marky-Boy! Lange nichts von Ihnen gehört. Ehrlich gesagt war ich ein bisschen beleidigt, als Sie diese Irak-Bilder an die Time verkauft haben.«
»Ich habe sie nicht verkauft. Ich war in deren Auftrag unterwegs.«
»Ach ja? Haben die zu viel Kohle? Was wollen Sie mir denn diesmal andrehen â eine bahnbrechende, epochemachende Fotostrecke, exklusiv für mich als Schnäppchen zu haben?«
»Nein, nichts, jedenfalls noch nicht. Aber ich bin da vielleicht an etwas dran. Ich fliege heute Abend noch nach Guatemala.«
»Wirklich? Die Kollegin aus der Reiseredaktion ist gerade von dort zurückgekommen, und es geht ihr hundeelend. Hat sich irgendeinen fiesen Bazillus eingefangen. Aber im Ernst, was wollen Sie?« Cameron hatte nichts übrig für
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