Das Midas-Kartell
wieder rechts ranfuhren, um den Verkehr vorbeizulassen. Markusâ Handy summte. Wieder eine leere SMS, diesmal von Natalies Nummer. Zumindest hatten sie ihn ernst genommen. Vielleicht hatten sie aber auch nur Angst, dass er tatsächlich zurückkäme, wenn sie sich nicht meldeten.
In der Ferne erhob sich der Vulkan, und die StraÃe begann allmählich zu steigen. Der Verkehr hatte abgenommen, es waren jetzt fast nur noch Lkws unterwegs. Markus sah auf das Navi-Display. Noch fünfundvierzig Minuten. Er würde es also bis zum Mittag schaffen.
In San Antonio angekommen, fuhr Markus einmal die HauptstraÃe entlang, wendete und fuhr wieder zurück. AuÃer einer Bank, ein paar Bars und einem Café war hier nichts. Die Häuser waren im spanischen Kolonialstil erbaut, zumindest die Fassaden zur StraÃe hin. Die Farben waren von der Sonne ausgebleicht und die Gipsverzierungen abgebröckelt. Er stieg aus. Die Luft stand vor Feuchtigkeit, doch immerhin hatte es aufgehört zu regnen.
Warum war Daniel hierhergekommen? Wollte er jemanden treffen? Hatte er jemanden verfolgt? Markus ging zu dem Café auf der gegenüberliegenden StraÃenseite und beschloss, bei einem Bier eine Weile zu warten. Das hatte er als Fotojournalist gelernt: Es lohnte sich immer, stillzuhalten und abzuwarten, wie sich eine Stadt im Verlauf der Stunden veränderte, welche Schatten das wandernde Sonnenlicht warf, was so alles aus dunklen Winkeln hervorgekrochen kam. An der Theke standen zwei Männer, kräftige Typen in Jeans und Karohemden, die sich eine Spielshow im Fernsehen ansahen und ihm keine Beachtung schenkten.
Markus bestellte das Bier und betrachtete die Landkarte, die er dabeihatte. Die anderen Städte, die Daniel besucht hatte, lagen im Umkreis von ein paar Hundert Kilometern. Als der Barmann sein Glas brachte, reichte er ihm eine Zehndollarnote, viel zu viel für das Bier, das nur ein paar Quetzals kostete.
» Por favor , tome asiento, setzen Sie sich«, sagte er und deutete auf den leeren Stuhl am Tisch. Der Mann sah mit um Verzeihung heischender Miene zu den beiden Gästen am Tresen hinüber, als wäre es etwas Unanständiges, mit einem Fremden zu reden.
» Gracias «, sagte er und steckte das Geld ein, um dann aus seiner Hemdtasche eine Zigarette zu ziehen, die er Markus anbot. Markus nahm sie an, entzündete sie mit einem Streichholz aus dem Mäppchen, das auf dem Tisch lag, und nahm einen Zug. Er hatte seit fünf Jahren nicht mehr geraucht, aber es zahlte sich in der Regel aus, wenn man auf Gastfreundschaft einging, in welcher Form auch immer.
»Kommen hier viele Ausländer vorbei?«
Der Barmann zuckte die Achseln und warf wieder einen Blick zum Tresen. » Depende . Normalerweise nicht.«
»Können Sie sich an einen Amerikaner erinnern, der hier war? ¿ Recuerda a americano, aquà ?« Markus kramte die Busfahrkarten aus seiner Reisetasche und deutete auf das Datum. Mit Sicherheit kamen hier nicht oft Amerikaner vorbei. Die Stadt war nicht gerade das, was man einen Touristenmagneten nannte.
Der Mann zuckte erneut die Achseln. »Jemand war hier. Dos veces , zweimal. Ein Fremder. Könnte ein Americano gewesen sein. Weià nicht. Konnte gut Spanisch.«
»Zu welcher Tageszeit war das? ¿ A qué hora del dÃa ?«
»Am Nachmittag. Zwischen vier und fünf.«
»Was hat er gemacht?«
» Nada . Zeitung gelesen. Am Stand Obst gekauft.«
»War jemand bei ihm? Oder hat er sich mit jemandem getroffen?«
»Nein.« Der Barmann zog an seiner Zigarette.
Markus stand auf und trat auf den Gehsteig hinaus. Gegenüber war eine Bank. Von einem Obststand aber war nichts zu sehen. Er ging wieder hinein. »¿ Los Servicios ?«
»DrauÃen«, erwiderte der Mann und deutete auf eine schmale Tür am Ende des Tresens. Markus stieà sie auf und trat auf einen kleinen Hinterhof hinaus. Am gegenüberliegenden Ende war eine Latrine, die mit einer Wand aus Hohlblocksteinen abgetrennt war; der Gestank, der davon ausging, hätte einen Elefanten umgehauen. Markus suchte sich möglichst weit davon entfernt eine Stelle und öffnete seine Hose.
»Nicht bewegen.« Es war eine weibliche Stimme, kaum mehr als ein Flüstern.
Markus rührte sich nicht. Kaltes Metall presste sich in seinen Rücken.
»Die Tasche her, langsam, ganz langsam.«
Markus spürte, wie sich der Waffenlauf zitternd in ihn
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