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Das Midas-Kartell

Das Midas-Kartell

Titel: Das Midas-Kartell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mockler
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nur ganz leicht den Finger gekrümmt. Um ein Haar hätte sie dem Mann eine Kugel in die Brust gejagt. Dem Mann von dem Foto, auf dem er sein Baby im Arm hielt. Sie war keine Mörderin. Sie konnte nicht kaltblütig töten. Die Waffe fiel in den Schlamm.
    Markus kniete sich hin und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Er wischte sich das Wasser aus den Augen und schlug nach Moskitos in seinem Nacken. Langsam nahm er ihre Hand und löste ihre Finger vom Riemen der Tasche. Die Frau regte sich nicht. Sie stand unter Schock. Ihr Blick ging starr geradeaus, und sie bebte am ganzen Körper. Markus nahm die Pistole an sich, stand auf und ging davon. Auf halbem Weg zum Auto drehte er sich um und sah zurück. Sie hatte sich noch immer nicht vom Fleck gerührt. Die Wolken über ihr am Himmel leuchteten gräulich lila, die Erde unter ihr war schwarz, rechts und links von ihr ragten die hohen, bambusartigen Halme des Zuckerrohrs auf. Er ging zu ihr zurück und kniete sich vor sie.
    Â»Können Sie mich hören?«
    Keine Reaktion.
    Er legte seine Hand auf ihre Schulter. »Wie heißen Sie?«
    Ihre schweren Lider schlossen sich langsam, sie schüttelte den Kopf und murmelte etwas Unverständliches. Markus griff in ihre Handtasche und fand ihren Führerschein mit Namen und Adresse. Gloria Andalucía Ferrovia.
    Â»Gloria, können Sie mich hören? Warum haben Sie meine Tasche gestohlen? Wer hat Ihnen den Auftrag gegeben?«
    Sie antwortete nicht. Markus sah auf ihren Knöchel, der bereits anzuschwellen begann. Wer auch immer sie war – das hier war nicht ihr normaler Job. Er hob sie mit einer raschen Bewegung hoch, trug sie zu seinem Wagen und schob sie auf die Rückbank, wo sie regungslos sitzen blieb.
    Jetzt musste die Karre nur noch anspringen. Markus steckte den Schlüssel in die Zündung, drehte, und der Motor setzte sich in Bewegung. Die Warnleuchten hatten nicht aufgehört zu blinken, aber zumindest fuhr das Auto noch. Er legte den Rückwärtsgang ein und fuhr langsam rückwärts zum Rand der Plantage, an dem ein Feldweg entlangführte. Die Räder drehten in dem matschigen Schlamm immer wieder durch, aber es waren nur ein paar Hundert Meter bis zur Straße. Er warf einen Blick über die Schulter. Gloria saß nervenaufreibend still da, ihr irritierend schönes Gesicht mit den Mandelaugen, umrahmt von ihrem schweren, nassen Haar.
    Markus gab ihre Adresse in das Navi ein. Wenn er sie nach Hause fuhr, bestand zumindest eine Chance, dass er die Antworten bekam, die er so dringend brauchte.
    Â»Gloria. Ich heiße Gloria«, ließ sich schließlich leise aus dem Fond des Wagens vernehmen, kaum hörbar durch das Rauschen der Räder auf dem nassen Straßenbelag. »Wohin bringen Sie mich?«
    Â»12a Calle 21, Guatemala City.«
    Â»Nach Hause?«
    Markus nickte.
    Â»Sind Sie so was wie ein Taxi?«, sagte die Frau ausdruckslos.
    Markus warf einen kurzen Blick in den Innenspiegel. »Klar, ich bin ein Taxifahrer, und Sie sind eine Auftragskillerin. Ich dachte, wir könnten ins Geschäft kommen.«
    Â»Sehr witzig.« Sie strich sich das Haar hinter die Ohren und berührte vorsichtig die Wunde an ihrer Schläfe.
    Â»Möchten Sie mir erzählen, warum Sie versucht haben, mich umzubringen?«, fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nicht umbringen, nur bestehlen. Tut mir leid, dass ich Sie fast getötet hätte.«
    Â»Keine Ursache.«
    Sie fuhren schweigend weiter. Allmählich setzte die Dämmerung ein, und immer weniger Licht drang durch die Wolkendecke. Markus spürte ihren Blick.
    Â»Sie haben heute im Hotel auf mich gewartet«, begann er.
    Sie sagte nichts.
    Â»An der Tür, auf der linken Seite der Lobby. Der Sessel war genauso olivgrün wie die Streifen Ihres Kleides.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Sie haben wohl ein memoria fotográfica , wie sagt man noch, ein fotografisches Gedächtnis?«
    Â»Ich lebe vom Fotografieren.«
    Â»Aha. Sie sind also nach Guatemala in eine Stadt am Ende der Welt gekommen, um Fotos zu machen.«
    Â»Ich bin hier wegen der Sachen, die in dieser Tasche sind. In der Tasche, die Sie stehlen wollten. Wissen Sie, was da drin ist?«
    Gloria antwortete nicht.
    Â»Schauen Sie selbst.« Er nahm eine Hand vom Steuer und wühlte in der Tasche, um Gloria den Zeitungsartikel und die Polaroids zu reichen.
    Sie sah sie an, sagte aber zunächst

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