Das Midas-Kartell
dabei?«
»Natürlich.«
»Gut, dann fahren wir jetzt zurück in die Stadt und bringen ihn ins Krankenhaus. Und danach sehen wir uns an, was in der Tasche ist. So werden wir die Wahrheit schon herausfinden.«
Markus schob sich an ihr vorbei und ging ins Haus.
»Was machen Sie?«
»Ich gehe ein Laken holen. Wir brauchen irgendwas, um ihn zuzudecken.«
48
Edward Wiseman blickte auf die Standuhr an der gegenüberliegenden Wand seines Arbeitszimmers. Der Kaffee auf seinem Schreibtisch war längst kalt geworden. Er leerte die Tasse in einem Zug. Nicht dass er ein Aufputschmittel gebraucht hätte. Nach dem Telefonat mit Markus Cartright am Abend zuvor hatte er auch so die ganze Nacht kein Auge zugetan.
Er schlug einen der beiden Berichte auf, die er bei seinem Kontakt von der Chicagoer Universität angefordert hatte. Es ging um den Binärcode, den Cartright abfotografiert und ihm gemailt hatte, eine Analyse möglicher Anwendungsgebiete. Der Mathematikstudent, der sich einen Tag Zeit genommen hatte, um den Code zu knacken, hatte ihm am Telefon erklärt, es handele sich um den Teil eines Programms, das dazu diente, Passwörter zu dechiffrieren. Nichts Besonderes, eine Anwendung von der Stange. Jeder halbwegs versierte Amateur könne es auf jede beliebige Website ansetzen, wo es dann so lange mit Zahlen und Buchstaben spielte, bis es die richtige Kombination gefunden habe. Der junge Mann klang ziemlich hochnäsig, als wäre das Ganze unter seiner Würde und nichts, womit sich ein ernst zu nehmender Hacker überhaupt abgab.
»Also, für welche Zwecke würde es sich einsetzen lassen?«, hatte Edward gefragt, ohne auf den überheblichen Ton seines Gesprächspartners einzugehen.
»Für praktisch alles. Internet-Accounts, Bankdaten, jedes System, das automatische Passcodes aus zufälligen Zahlen- und Buchstabenkombinationen generiert.«
»Wie lange würde das Programm dafür brauchen?«
»Stunden, Tage, vielleicht sogar Wochen. Wie gesagt, es ist nicht sonderlich ausgeklügelt. Wenn Sie Zeit haben oder Ihre Suchparameter ein bisschen eingrenzen können, wird es funktionieren. Wenn Sie allerdings vorhaben, die Amtsprotokolle aus Ihrer Zeit als Botschafter zu fälschen, ist es nicht die richtige Software für Sie.«
»Wenn ich Sie also korrekt verstehe â und Ihren sarkastischen Ton unbeachtet lasse â, haben Sie keine Ahnung, wofür genau es angewendet wurde«, hatte Edward Wiseman unwirsch geantwortet. Er lieà sich doch von einem Studenten nicht so von oben herab behandeln. Was für ein mieser kleiner ScheiÃer. In solchen Momenten war er umso zufriedener, dass er seine Memoiren veröffentlicht hatte.
Er widmete sich dem Bericht von Professor James, der in Yale einen Lehrstuhl für Geologie innehatte. Die Farbe des Bodens weise darauf hin, schrieb James, dass es sich um Lehm und möglicherweise eine Schicht Sedimentgestein handele. Die kleinen Glitzerfunken, die durch den Fotoblitz entstanden seien, zeigten an, dass Quarz oder ein anderes Mineral im Sediment abgelagert sei. Da er jedoch nur eine Kopie des originalen Polaroid-Fotos als E-Mail-Anhang gesehen habe, könne er sich nicht genauer dazu äuÃern.
Das Telefon läutete. Cartrights Name stand auf dem Display. Er stieà es fast vom Tisch, als er zum Hörer griff, so eilig hatte er es. »Markus? Markus, sind Sie das?«
Keine Antwort. Die Verbindung war schlecht.
Dann: »Edward, ich habe ihn. Er ist hier bei mir im Auto. Wir sind auf dem Weg ins Krankenhaus.«
Edward atmete erleichtert auf. »Wie geht es ihm? Kann ich mit ihm reden?«
Markus antwortete zunächst nicht. »Er ist nicht in sonderlich guter Verfassung«, sagte er schlieÃlich.
»Was meinen Sie damit? Kann er sprechen?«
»Er hat etwas zu mir gesagt, war kurz bei Bewusstsein. Ich bin sicher, er wird wieder.«
»Wo war er? Wer hat ihn festgehalten?«
»Das müssen wir noch herausfinden. Er steckte in einem Wassertank. Ich weià nicht, wie lange er da drin war.«
Ein Wassertank? Edward überlegte. Er hatte die vertraulichen Berichte über den Einsatz halluzinogener Drogen und sensorischer Deprivation bei der CIA in den Vierziger- und Fünfzigerjahren gelesen. In den letzten Jahren hatten sie weiter in dieser Richtung geforscht und sogenannte nicht invasive Befragungstechniken entwickelt, die das Leben des Subjekts
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