Das Midas-Kartell
verlassen hatte. Dann griff er zur Kanne und begann, Kaffee einzuschenken. »Ich hätte gerne eine Erklärung, bevor ich mit dem Kaffee fertig bin.«
Pieter sah ihm stumm zu, wie er nach dem Milchkännchen griff, Milch eingoss und zwei Stück Zucker hinzugab, um dann zu rühren, sodass der dicke Silberlöffel in der Porzellantasse klirrte. Das gute Sèvres-Geschirr, schoss es Pieter durch den Kopf, ein Hochzeitsgeschenk seiner GroÃtante und so hässlich, dass Saskia darauf bestanden hatte, dass er es ins Büro mitnahm. Schon seltsam, was einem für Gedanken durch den Kopf gingen, wenn man unter Druck stand.
»Dass Ihr Geld weg ist, haben wir letzten Monat bemerkt.« Seine Stimme klang sonderbar fremd in seinen Ohren.
Alphonse hörte auf, in der Tasse zu rühren.
Radan sah enttäuscht aus. Wenn der Mann so bereitwillig redete, konnte er seine Ãberzeugungsfähigkeit gar nicht zur Anwendung bringen.
»Es war, als hätte jemand die Konten infiziert. Das Geld löste sich förmlich in Luft auf. Wurde einfach abgebucht. Abgebucht und über eine Kette von Zwischenkonten weitertransferiert, bis es nicht mehr greifbar war.«
»Wovon reden wir hier? Ist das eine gezielte Attacke? Organisiertes Verbrechen? Glauben Sie mir, die werden das Geld schnellstmöglich zurückbringen, sobald sie wissen, wem Sie es gestohlen haben.«
Pieter schüttelte den Kopf. »Es ist ein einzelner Mann.«
»Wissen Sie, wer er ist?«
»Nicht nur das. Wir haben ihn sogar. Ich habe jemanden, der ihn verhört.«
Alphonse stand auf und ging zum Fenster. »Verstehe. Sie dachten also, Sie würden allein damit klarkommen? Sie könnten das Problem lösen, ohne den Kunden damit zu behelligen?« Er wandte sich zum Raum. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich das für besonders geschäftstüchtig oder für besonders feige halten soll. Aber ganz ungeachtet dessen möchte ich, dass Sie mich zu ihm bringen. Ich würde ihn gerne verhören, Radan würde ihn gerne verhören.«
Pieter wand sich auf seinem Stuhl. »Ich weià nicht, wo sie ihn festhalten, aber der Mann, den ich eingesetzt habe, war früher bei der CIA , er ist mir wärmstens empfohlen worden.«
» CIA ?« Alphonseâ Miene verzog sich verächtlich. »Das sind doch Amateure. Wir bringen täglich Tausende Kilo hochwertigen Stoff über die US -Grenze, direkt vor ihrer Nase. Nennen Sie mir den Namen des Mannes. Ich werde ihn zum Reden bringen.«
»Sein Name ist Daniel Wiseman. Er ist Wirtschaftsprüfer.«
»Wirtschaftsprüfer? Umso besser, dann wird man ihn zur Vernunft bringen können. Er wird es einsehen, sobald er begreift, wessen Geld er gestohlen hat.«
Pieter nahm einen Schluck Kaffee, der ihm jedoch in der Kehle stecken blieb, sodass er husten musste. »Er weiÃ, wer Sie sind«, sagte er gepresst.
»Wie bitte, das habe ich nicht verstanden.« Alphonseâ Miene wandelte sich. Der Ausdruck distanzierter Belustigung, den er sich mühsam antrainiert hatte, schwand.
»Wir glauben, Sie sind der Grund, warum er das Geld genommen hat.«
Alphonse runzelte die Stirn. »Sie meinen, er hat das Geld genommen, obwohl er wusste, dass es meins ist?«
Pieter nickte.
Co ñ o , fluchte Alphonse im Stillen. Die Vorstellung, dass sich ihm jemand absichtlich widersetzte, war absurd. Sie konterkarierte sein gesamtes Geschäftskonzept, die Logik, der sein Imperium gehorchte. Solange die Menschen Angst haben, tun sie, was du willst. Vor ihm hatten sie Angst, weil ihr Leben in seiner Hand lag. Was glaubte dieser Kerl eigentlich, wer er war? Superman?
»Wir werden einen kleinen Ausflug machen«, sagte er. »Mein Wagen wartet drauÃen. Sie werden mir alles erzählen, von Anfang an. Ãber diesen Daniel Wiseman, über den CIA -Mann, den Sie engagiert haben, und seine Organisation. Ich möchte gern mit denen reden. AnschlieÃend werde ich eine Entscheidung fällen.«
47
Markus hielt, um zu tanken. Gloria schlüpfte unterdessen in das WC der Tankstelle und versuchte, die Sauerei auf ihrem Gesicht und ihr klebriges Haar halbwegs in den Griff zu bekommen. Sie betrachtete sich in dem verschmierten Spiegel. Der schummrige Schein der Sechzig-Watt-Glühbirne überzog ihre Haut mit einem grünlichen Schleier und malte ihr dunkle Ringe unter die Augen. Sie lieà sich das Wasser über Kopf und Gesicht laufen; auf
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