Das Midas-Komplott - Thriller
hin, nicht sicher, ob er jemals wieder aufstehen würde.
65. KAPITEL
Da Tyler ausgefallen war und Grant Stacy allein stützen musste, bestand keine Aussicht, Orr einzuholen. Sie konnten sich aber wenigstens an seinen Markierungen orientieren, um den Weg nach draußen zu finden.
Das Labyrinth schien sich ewig in die Länge zu ziehen, aber irgendwann kamen sie an den von den Phosphorgranaten verbrannten Leichen vorbei. Tyler überlegte, ob er sich eine Jacke nehmen sollte, fand dann aber, es sei noch schlimmer, sich mit der versengten Jacke eines Toten auf der Straße zu zeigen als mit nacktem Oberkörper.
Orr war sich ihres Ertrinkens so sicher gewesen, dass er noch nicht einmal das Seil abgeschnitten hatte, das bis auf den Boden der Zisterne baumelte. Grant stieg als Erster nach oben, während Tyler Stacy in einen Sitzgurt schnallte. Grant zog sie hinauf und half dann Tyler. Es war Mitternacht.
Sie hatten zwar Orrs Handy, aber das war mit einem Passwort geschützt.
Während Grant sich auf den Weg machte, um ein Telefon aufzutreiben, lag Stacy mehr oder weniger bewusstlos in Tylers Schoß. Sie hatte viel Blut verloren und war sehr blass. Tyler
und Grant hatten sie notdürftig verbunden, aber der weite Weg durch das Labyrinth hatte ihre letzten Kräfte aufgezehrt. Tyler streichelte ihr Haar.
Ihre Lider zuckten, und sie öffnete die Augen. Eine Sekunde lang schien sie nicht zu wissen, wo sie war, dann erkannte sie Tyler.
»He, eine Minute lang habe ich mich für tot gehalten«, sagte sie schwach. »Ist das der Mond?«
Tyler sah auf. Am klaren Himmel stand leuchtend der Vollmond. Von der milden Nachtluft verlockt, wollte er tief einatmen, bremste sich aber, als er den stechenden Schmerz in seiner Brust spürte.
»Es ist der Mond, ja. Wir haben es ins Freie geschafft.«
»Gut. Ich fand es fürchterlich da unten.«
Tyler lächelte.
Plötzlich riss sie erschreckt die Augen auf. »Wo ist Orr?«
Wut stieg in Tyler auf, aber er bremste sich. »Keine Sorge. Wir finden ihn.«
Stacy schloss schluchzend die Augen. »Carol. Carol lebt nicht mehr.«
»Pst! Nicht reden! Streng dich nicht unnötig an.«
Tyler wollte es noch immer nicht glauben. Das erste der fünf Stadien des Trauerns. Ungläubigkeit. Etwas in ihm hasste sich dafür, selbst in dieser Lage alles zu zergliedern.
Nicht dass er nicht fühlen konnte. Jedes Mal, wenn er sich Orrs Gesicht vorstellte, spürte er einen abgrundtiefen Hass auf ihn, obwohl er im Allgemeinen nur sehr wenige Menschen hasste. Manchmal hasste er sich selbst, so wie jetzt, weil er völlig versagt hatte. Aber Orr hatte seinen Hass verdient, und Tyler schwor sich, Orr zu jagen, bis er ihn fand, auch wenn es ihn den Rest seines Lebens kosten sollte.
Nun konnte er Rachedurst nachempfinden. Wie passend,
dass er ihn in Süditalien gelernt hatte, das für seine blutigen Fehden berühmt berüchtigt war.
Grant kam zu ihnen zurück. In der Hand hielt er triumphierend ein Handy.
»Ein Krankenwagen ist unterwegs. Ich habe angegeben, es sei ein Herzinfarkt, damit sie nicht gleich mit der Polizei anrücken. «
»Wo hast du das Telefon her?«
»Von einem Jugendlichen auf der Straße. Ich sah, wie er telefonierte. Ich biss auf Granit, bis mir die Idee kam, ihm meine Rolex zum Tausch anzubieten. Er sprach Englisch und konnte mir mit dem Notruf helfen.«
Er reichte Tyler das Handy. Sein Freund wählte Miles Bensons Nummer, eine der wenigen, die er auswendig kannte. Er betete, dass Miles seinen Anruf beantwortete.
Beim zweiten Läuten hob sein Boss ab.
»Miles Benson.« Wie immer klang er kurz angebunden.
»Miles, hier ist Tyler.«
Benson konnte hören, wie erschöpft er klang. »Tyler! Seit Stunden versuche ich dich zu erreichen! Wo zum Teufel steckst du?«
»In Neapel, mit Grant. Stacy ist schwer verletzt, aber es kommt gleich ein Krankenwagen. Miles, ich glaube, mein Vater ist tot.«
»Tot? Ach du liebe Güte! Das letzte Mal, als man mich benachrichtigte, hieß es, er sei gerade aus dem OP gekommen. Die Ärzte rechnen zwar damit, dass sein Zustand noch eine Weile kritisch sein wird, aber sie gehen davon aus, dass er durchkommt. «
Tyler spürte förmlich, wie ihn eine Energiewelle durchflutete. »Nicht tot? Bist du dir ganz sicher?«
»So hat man mir gesagt.«
»Und Carol Benedict?«
»Verängstigt, aber sonst kein Kratzer.«
»Gott sei Dank.« Er senkte das Telefon.
»Stacy, es ist alles in Ordnung. Carol ist gesund und munter.«
»Carol?«, sagte sie und riss die Augen auf.
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