Das Millionen-Bewußtsein
annehmen, obwohl er sicher ist, daß er Verbindung mit der Masse hatte. Was machen Sie denn normalerweise, wenn andere herunterkommen und Ihnen erklären, daß ihnen der Kontakt gelungen ist? Sagen Sie dann auch, daß sie nur Halluzinationen erlegen sind? Oder glauben Sie ihnen? Sollte ich mich vielleicht umhorchen, falls Sie sich nicht mehr erinnern können?«
Martis Gesicht lief vor Ärger tiefrot an. Doch ehe er zu antworten vermochte, ergriff Ethrya das Wort.
»Es ist doch nur zu deinem eigenen Besten, Chaz. Wir wollen nicht, daß dir etwas zustößt«, versicherte sie ihm. »Sag ihm doch, daß das stimmt, Jai.«
»Sie hat recht«, fiel Jai ein. »Und, Chaz, es gibt auch noch andere Gründe als Halluzinationen, die uns davon abhalten, manche zur Masse zurückzulassen. Diejenigen, die es bisher betroffen hat, fühlen sich jetzt hier in der Verwaltung viel wohler. Natürlich hat der Direktor die Entscheidungsgewalt. Andererseits ...« Er blickte Marti bittend an.
Der Direktor hatte seine Beherrschung wiedergewonnen. »Na schön, Chaz. Sie sollen noch eine Chance haben. Doch auch nur ein einziger weiterer Fall von Halluzination, und der Zugang zur Masse ist Ihnen für immer versperrt.«
»Gut.« Chaz wandte sich zur Tür. »Ich fahre sofort wieder hinauf.«
»Kommt gar nicht in Frage. Erst werden Sie sich einmal gründlichst untersuchen lassen und ein paar Tage unter ärztlicher Aufsicht bleiben«, bestimmte Marti.
Tatsächlich vergingen acht Tage, ehe Chaz die Erlaubnis erhielt, es noch einmal zu versuchen, und das nur auf die erzwungene Fürsprache Jais hin.
»Leb sagt, es besteht nur eine Möglichkeit zu beweisen, daß du tatsächlich Verbindung zur Masse aufgenommen hast«, erklärte er Chaz. »Und das ist, indem du eine Arbeit daran vornimmst, die auch alle anderen Arbeiter als offensichtliche Ergänzung sehen. Wenn dir das gelingt, hast du gewonnen. Aber er gestattet dir nur noch einen einzigen Versuch.«
»Gut«, sagte Chaz grimmig. »Dann werde ich ihn sofort unternehmen. Kommst du mit und siehst dir meinen Raumanzug an, ob er auch in Ordnung ist, ehe ich hineinschlüpfe?«
Jai starrte ihn an. »Weshalb sollte er nicht in Ordnung sein?«
»Ich habe keine Ahnung«, erwiderte Chaz ausdruckslos. »Aber du könntest trotzdem nachsehen.«
Jai starrte ihn noch eine Sekunde an, dann nickte er heftig. »Das werde ich auch tun. Ich werde sogar mit dir zur Masse hinausgehen, außer du hast etwas dagegen.«
»Ich habe nichts dagegen.«
Jai untersuchte Chaz' Anzug sorgfältig, ohne etwas zu finden. Dann fuhren sie gemeinsam hinauf und stiegen um. Chaz hielt die Kabine in Kabelmitte an.
»Sag mir«, wandte er sich an Jai, »was denkst du darüber, daß man mich qualifiziert hat, an der Masse zu arbeiten?«
»Was ich darüber denke?« Jai fixierte ihn durch die Sichtscheibe des Helms.
Die Frage beschäftigte sie beide. Einen Augenblick herrschte Schweigen – und in diesem Augenblick bewegte sich Chaz, dehnte diesen Moment aus, indem er seinen Geist öffnete, um die Kraft der Masse einzulassen.
Der dunkle Berg der Orkane wirbelte ihn hoch und hinweg, während die Zeit im Vergleich für Jai immer langsamer wurde und stillstand. Was war es, das Droll in Sommernachtstraum gesagt hatte:
Rund um die Erde zieh' ich einen Gürtel
In viermal zehn Minuten.
Er würde die Masse in weniger als vierzig Sekunden – zwischen seiner Frage und Jais Antwort – an die Kandare nehmen, wenn er sich nicht sehr in den Möglichkeiten der Massenkraft täuschte, die er zu bezwingen gelernt hatte, als er das letztemal hier gewesen war. Falls er sich irrte, konnte es schlimme Folgen für ihn haben. Aber das war ein Risiko, das er gern einging.
Die Masse schwang ihn hoch und nahm ihn in sich auf. In einer Millisekunde ritt er sie, statt hilflos von ihr davongetragen zu werden. Er grinste. Die Arbeiter an der Masse wollten Kontakt zu einer anderen Welt aufnehmen, nicht wahr? Nun, vielleicht wußte er von einer Welt dort draußen, mit der er in Verbindung treten konnte und mit der er sie alle überraschen würde.
Er gab der Masse seine Erinnerung an die Comicwelt mit den verzerrten Türmen und Straßen, wo alle Oberflächen mit einer Schicht fließenden Wassers bedeckt waren –
– und schon befand er sich dort. Es war genau wie in seiner Erinnerung. Nur war das Wasser nun zu Eis geworden, und die Luft war bitter kalt. Er fröstelte, aber die Schnecken schlitterten genauso gelassen über die gefrorene Oberfläche, wie
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