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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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stand Rob Irgendwer, umringt von einem halben Dutzend Wir-sind-die-Größten, alias Kleine Freie Männer, manchmal auch alias die Angeklagten, Übeltäter, polizeilich gesuchte Personen oder auch schon mal alias »Der da, der Zweite von links, der war‘s, ich schwör‘s«.
    »Ihr lauft mir ja schon wieder nach!«, beschwerte sie sich. »Wie oft wollt ihr euer Versprechen denn noch brechen?«
    »Denk doch mal an das Fluchgelübde, das uns auferlegt is. Du bist die Hexe der Hügel, und wir müss’n jederzeit bereit sein, dich zu beschützen und dir zu helfen, ob dir das nu passt oder nich«, antwortete Rob Irgendwer beherzt. Seine Clankumpane nickten so eifrig mit den Köpfen, dass ein Hagel aus Bleistiftstummeln, Rattenzähnen, Essensresten vom Vortag, interessanten Steinen mit Löchern drin, Käfern, vielversprechenden Popeln, die einer eingehenden Untersuchung harrten, und Schnecken um sie herum niederging.
    »Hört mal«, sagte Tiffany. »Das geht einfach nicht, dass ihr durch die Gegend lauft und Leuten helft, die das vielleicht gar nicht wollen.«
    Rob Irgendwer kratzte sich am Kopf, setzte die kleine Schnecke wieder zurück, die ihm aus den Haaren gefallen war, und entgegnete: »Und wieso nich? Das machste doch auch.«
    »Mach ich nicht!«, protestierte sie lautstark, aber gleichzeitig traf es sie wie ein Blitz. Ich war nicht nett zu Frau Micker, nein, dachte sie. Sicher, die Frau hatte nicht nur das Verhalten, sondern auch den Verstand einer Maus, aber das stinkende Haus, Dreck hin oder her, war ihr Haus. Und Tiffany war ungefragt mit einer Horde – nehmen wir kein Blatt vor den Mund – Kobolde bei ihr eingefallen und hatte das Oberste zuunterst gekehrt. Sie war schroff, herrisch und selbstgerecht gewesen. Ihre Mutter hätte es geschickter angestellt, wie wahrscheinlich jede andere Frau aus dem Dorf ebenfalls. Aber sie war die Hexe, und sie hatte sich aufgeführt wie ein Elefant im Porzellanladen und Frau Micker fast zu Tode erschreckt. Sie, ein junges Ding mit einem spitzen Hut.
    Ihr kam noch ein Gedanke, der sie selbst betraf: Wenn sie sich nicht bald hinlegte, würde sie umkippen. Die Kelda hatte Recht; Tiffany konnte sich nicht daran erinnern, wann sie zuletzt in einem richtigen Bett geschlafen hatte. Zu Hause wartete eines auf sie. Und da fiel ihr plötzlich zerknirscht ein, dass sie ja auch noch ihre eigenen Eltern wissen lassen musste, dass Amber Micker wieder bei den Größten war …
    Irgendwas ist immer, dachte sie, und dann kommt immer noch was nach. Es hört nie auf. Kein Wunder, dass Hexen Besen haben. Mit Füßen allein kann man das alles gar nicht bewältigen.
    Frau Weh verarztete Tiffanys Bruder Willwoll, der ein blaues Auge hatte.
    »Wir mussten uns ja auch unbedingt mit den großen Jungs prügeln«, schimpfte sie. »Und jetzt haben wir ein hübsches Veilchen, nicht wahr, Willwoll?«
    »Ja, aber dafür hab ich Billy Petzer voll ins Eingemachte getreten.«
    Tiffany schluckte ein Gähnen hinunter. »Wieso prügelst du dich denn, Willwoll? Ich dachte, du wärst klüger.«
    »Die haben gesagt, dass du eine Hexe bist«, antwortete er. Tiffanys Mutter drehte sich mit einer seltsamen Miene zu ihr um.
    »Aber das stimmt doch auch«, sagte Tiffany. »Das ist mein Beruf.«
    »Ja, gut, aber du machst bestimmt nicht solche Sachen, wie die ständig rumerzählen.«
    Tiffany sah ihre Mutter an. »Sind das schlimme Sachen?«, fragte sie.
    »Ha! Schlimm ist gar kein Ausdruck«, antwortete Willwoll. Sein Hemd war voller Blut- und Rotzflecken.
    »Willwoll, ab auf dein Zimmer!«, befahl Frau Weh. Selbst Oma Wetterwachs hätte sich schwergetan, einen Befehl auszusprechen, der prompter befolgt worden wäre – und mit dem sich – im Falle des Nichtparierens – ein noch blaueres Wunder angekündigt hätte.
    Nachdem der Junge widerwillig die Treppe hinaufgepoltert war, wandte sich Frau Weh ihrer jüngsten Tochter zu, verschränkte die Arme und sagte: »Das war nicht das erste Mal, dass er deinetwegen in eine Rauferei geraten ist.«
    »Daran sind bloß die Bilderbücher schuld«, antwortete Tiffany. »Ich tue alles, damit die Leute endlich verstehen, dass wir keine verrückten alten Weiber sind, die anderen etwas Böses an den Hals hexen.«
    »Wenn dein Vater nach Hause kommt, sorge ich dafür, dass er mal ein Wörtchen mit Billys Vater redet«, sagte ihre Mutter. »Billy ist einen Kopf größer als Willwoll, aber dein Vater … der ist gleich zwei Köpfe größer als Billys Vater. Er wird sich nicht mit ihm

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