Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
Loch verkeilte. Jedes Mal, wenn sie auch nur leicht an ihr zog, kreischte sie wie am Spieß. Nachdem Tiffany aufgegeben hatte, war das Mädchen sofort wieder auf ihren Platz neben der Kelda zurückgekehrt. So viel dazu. Da machte man sich die Mühe, für andere so schöne Pläne zu schmieden, und ehe man sich‘s versah, hatten die doch tatsächlich schon ihre eigenen Pläne gemacht.
    Wie man es auch drehte und wendete, Amber hatte Eltern, keine besonders guten, das nun gerade nicht, aber Eltern. Sie mussten zumindest erfahren, dass ihrer Tochter nichts zugestoßen war … Und was konnte ihr in der Obhut der Kelda schon Schlimmes passieren?
     
    Frau Micker knallte Tiffany die Tür vor der Nase zu und riss sie im nächsten Augenblick tränenüberströmt wieder auf. Das Haus stank, jedoch nicht nur nach schalem Bier und ungenießbarem Essen, sondern auch nach Rat- und Hilflosigkeit. Eine Katze – die räudigste Vertreterin ihrer Art, die Tiffany je gesehen hatte – steuerte zu dem Geruchsproblem sicher auch ihren Teil bei.
    Frau Micker war zu Tode erschrocken und führte sich auf, als hätte sie auch noch das letzte Fünkchen ihres ohnehin nur schwach glimmenden Verstands verloren. Sie warf sich vor Tiffany auf die Knie und beschwor sie in wirren Worten. Tiffany machte ihr erst mal eine Tasse Tee – ein Vorhaben, das nichts für zimperliche Gemüter war. Denn das gesamte Geschirr, über das der Haushalt verfügte, stapelte sich in dem steinernen Ausguss, der bis zum Rand mit einer schleimigen Brühe gefüllt war, aus der hin und wieder Blasen aufstiegen. Tiffany musste an einer Tasse minutenlang herumscheuern, bis sie so sauber war, dass man es wagen konnte, daraus zu trinken. Währenddessen drang aus dem Kessel ein verdächtiges Klappern.
    Frau Micker setzte sich auf den einzigen Stuhl, der noch über alle vier Beine verfügte, und faselte davon, was für ein guter Ehemann Herr Micker doch war, solange das Essen pünktlich auf den Tisch kam, und dass Amber ein braves Mädchen war. Tiffany kannte diese verzweifelten Beteuerungen noch gut von ihren Hausbesuchen in den Bergen. Sie entsprangen der Angst – der Angst vor dem, was der Sprecherin blühen würde, wenn sie erst wieder mit ihrem Mann allein war. Oma Wetterwachs griff in solchen Fällen auf eine altbewährte Methode zurück: Sie bekämpfte die eine Angst mit einer anderen – nämlich mit einer Heidenangst vor Oma Wetterwachs. Aber sie hatte ja auch jahrzehntelange Erfahrung im Oma-Wetterwachs-Sein.
    Eine behutsame, zurückhaltende Befragung förderte zutage, dass Herr Micker oben im Bett lag und schlief. Tiffany beschränkte sich auf die Auskunft, dass Amber von einer reizenden Dame gesund gepflegt wurde, woraufhin Frau Micker erneut in Tränen ausbrach. Die Trostlosigkeit, die in dieser Kate herrschte, schlug Tiffany so stark aufs Gemüt, dass sie sich arg beherrschen musste, nicht ruppig zu werden. Aber mal ehrlich: War es denn wirklich so schwer, einen Eimer kaltes Wasser auf den Steinboden zu kippen und den Dreck mit dem Besen zur Tür hinauszuschrubben? Was war so schwer daran, etwas Seife zu sieden? Man brauchte nichts weiter dazu als Holzasche und Tierfett. Und wie sagte ihre Mutter so schön? »Man ist nie zu arm zum Abstauben.« Was ihr Vater, um sie zu ärgern, hin und wieder etwas abwandelte zu: »Man ist nie zu arm, um was abzustauben.« Aber wo wollte man bei dieser Familie anfangen? Und was auch immer sich in dem Wasserkessel befinden mochte: Es klapperte immer noch. Wahrscheinlich wollte es raus.
    Die meisten Dorffrauen waren von der robusten Sorte. Man musste hart im Nehmen sein, um mit dem Lohn eines Landarbeiters eine ganze Familie durchzubringen. Es gab im Kreideland einen Spruch, eine Art Patentrezept für den Umgang mit schwierigen Ehemännern: »Zungenpastete, kalte Scheune, Wäscheknüppel.« Unliebsam auffallende Gatten bekamen statt des Abendessens eine Gardinenpredigt serviert, mussten im Stroh nächtigen und bezogen, wenn sie die Hand gegen ihre Frauen erhoben, eine tüchtige Tracht Prügel mit dem langen Stecken, der ansonsten zum Umrühren der Wäsche im Bottich benutzt wurde. Normalerweise sahen sie ihre Fehler rechtzeitig ein, bevor das Dorf ihnen eine Katzenmusik spielen musste.
    »Ich glaube, es würde Ihnen guttun, wenn Sie Ihren Mann mal ein paar Tage nicht sehen. Wie wäre es mit einem kleinen Urlaub?«, schlug Tiffany vor.
    Die Frau, blass wie eine Nacktschnecke und dürr wie ein Besenstiel, machte ein entsetztes

Weitere Kostenlose Bücher