Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
prügeln. Du kennst deinen Vater. Er ist ein sehr besonnener Mann. Ich habe noch nie erlebt, dass er öfter als vielleicht zwei Mal zugeschlagen hat. Musste er auch nicht. Er passt schon auf, dass keiner die Beherrschung verliert. Und wenn doch, gibt‘s Saures. Trotzdem, irgendetwas stimmt hier nicht, Tiffany. Natürlich sind wir alle sehr stolz auf dich, auf deine Arbeit und auch sonst, aber du scheinst die Leute irgendwie nervös zu machen, sie sind gereizt. Sie verbreiten die absonderlichsten Sachen über dich. Und der Käseverkauf ist auch zurückgegangen. Dabei weiß doch jeder, dass du die beste Käserin in der Gegend bist. Und jetzt auch noch die Geschichte mit Amber Micker. Findest du es richtig, dass sie wieder… da oben ist, bei denen?«
    »Ich hoffe es, Mama«, antwortete Tiffany. »Aber sie hat einen sehr starken Willen, und letzten Endes kann ich auch nur mein Möglichstes tun.«
     
    Später in dieser Nacht, als Tiffany in ihrem vorsintflutlichen Bett lag, hörte sie im Halbschlaf, wie sich ihre Eltern im Zimmer unter ihr ganz leise unterhielten. Und obwohl Hexen natürlich nicht weinen, wären dieser Hexe fast die Tränen gekommen.

6
    Das Kommen des Tückischen
    Tiffany war wütend, weil sie verschlafen hatte. Ihre Mutter musste ihr erst eine Tasse Tee ans Bett bringen, bevor sie aufwachte. Aber in letzter Zeit hatte sie wirklich nicht genug Schlaf bekommen, und in dem alten, aber urgemütlichen Bett war sie regelrecht versunken.
    Es hätte aber auch noch viel schlimmer kommen können, tröstete sie sich, nachdem sie losgeflogen waren. Zum Beispiel, wenn ich Schlangen auf dem Besen hätte. Die Größten waren leider ein bisschen zu versessen darauf, sich »den Wind unter den Kilt wehen zu lassen«, wie Rob Irgendwer es ausdrückte. Gut möglich, dass Kobolde besser waren als Schlangen, aber das war lediglich eine Vermutung. Sie rannten ständig von einem Ende des Stiels zum anderen, wenn sie unter sich etwas Interessantes entdeckten, und als Tiffany einmal einen Blick über ihre Schulter warf, hatten sich doch tatsächlich ungefähr zehn von ihnen hinten an den Besen gehängt. Der erste von ihnen hielt sich an den Borsten fest und der Nächste an seinen Fersen und der Übernächste an dessen Fersen und so weiter und so fort. Sie johlten, sie kreischten, und ihre Kilts flatterten im Wind. Der Nervenkitzel war bestimmt eine gute Entschädigung für die Gefahr und die fehlende Aussicht – beziehungsweise für eine vorhandene Aussicht, um die sie niemand beneidet hätte.
    Der eine oder andere verlor tatsächlich den Halt. Unter lautem Juhu! und fröhlichem Gewinke segelten sie davon, als wäre alles nur ein lustiges Spiel. Normalerweise tippten die Größten ein paar Mal auf, wenn sie landeten, aber es konnte auch vorkommen, dass sie in der Erde einen kleinen Einschlagkrater hinterließen. Um ihren Heimweg machte Tiffany sich keine Sorgen. Zweifellos lauerten dort unten unzählbar viele gefährliche Kreaturen nur darauf, sich einen kleinen rennenden Mann einzuverleiben, doch bis der den heimatlichen Erdhügel erreichte, würde die Masse der Angreifer mit Sicherheit um einiges zählbarer sein. Im Großen und Ganzen verhielten sich die Größten während des Fluges für Koboldverhältnisse sogar ausgesprochen gesittet, und sie steckten den Besen auch erst in Brand, als sie nur noch knapp zwanzig Meilen von der Stadt entfernt waren. Dieser Zwischenfall kündigte sich mit einem kaum hörbaren »Hoppla!« des Doofen Wullie an, der sich auch sogleich schuldbewusst vor den Flammen aufbaute, damit niemand merkte, dass er die Borsten angezündet hatte.
    »Du hast ja schon wieder den Besen angesteckt, Wullie«, stellte Tiffany streng fest. »Wie lautet noch mal die Lektion, die wir beim letzten Mal gelernt haben? Auf dem Besen wird nicht mit Feuer gespielt!«
    Als der Doofe Wullie und seine Brüder versuchten, die Flammen auszustampfen, geriet der Besen ordentlich ins Wackeln. Tiffany suchte das Gelände nach einem weichen und vorzugsweise nassen Landeplatz ab.
    Aber es hatte keinen Sinn, sich über Wullie aufzuregen. Er lebte in seiner eigenen Wullie – Welt, und dem war höchstens mit diagonalem Denken beizukommen.
    »Was meinst du?«, sagte sie zu ihm, während der Besen bockte und schlackerte. »Ob wir vielleicht gemeinsam herausfinden können, warum mein Besen brennt? Könnte es möglicherweise damit zu tun haben, dass du ein Streichholz in der Hand hältst?«
    Der Größte starrte das Streichholz an, als

Weitere Kostenlose Bücher