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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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erwarten würden.«
    »Das ist hier doch nicht etwa so was wie eine Prüfung?« Die Frage klang selbst in Tiffanys Ohren ziemlich lahm.
    »Weißt du nicht mehr, was Oma Wetterwachs immer sagt?«, fragte Fräulein Schmied.
    »Alles ist eine Prüfung«, zitierten sie im Chor und mussten lachen.
    In diesem Moment gackerte es vor der Tür. Fräulein Schmied machte auf, und ein kleines weißes Huhn kam herein. Es blickte sich neugierig um und explodierte. An seiner Stelle blieb eine Zwiebel zurück, voll aufgetakelt mit Masten und Segeln.
    »Es tut mir leid, dass du das mit ansehen musstest.« Fräulein Schmied seufzte. »So etwas kommt hier dauernd vor. Die Mobilien sind nämlich niemals statisch. Diese ganze hin und her rumpelnde Magie, die Bruchstücke von Zaubersprüchen, die sich umeinanderranken, sodass neue Sprüche entstehen, auf die sonst nie ein Mensch gekommen wäre … Es ist ein heilloses Durcheinander, in dem sich immer wieder irgendwelche Zufallsprodukte bilden. Erst gestern habe ich ein Buch über die Chrysanthemenzucht gefunden, das mit Kupfer auf Wasser gedruckt war. Man sollte meinen, dass so was ganz schön rumschwappt, aber es hat sich ziemlich gut gehalten, jedenfalls bis die Magie versickert war.«
    »Was für ein Pech für das arme Huhn«, sagte Tiffany nervös.
    »Das vor zwei Minuten garantiert noch kein Huhn war«, sagte Fräulein Schmied. »Und das jetzt wahrscheinlich Spaß daran hat, ein seetüchtiges Gemüse zu sein. Vielleicht verstehst du jetzt, warum ich mich nicht allzu oft hier unten aufhalte. Ich hatte mal ein Erlebnis mit einer Zahnbürste, das ich bestimmt nicht so schnell vergessen werde.« Sie drückte die Tür noch ein Stück weiter auf, und Tiffany sah den Wirrwarr.
    Ein Wirrwarr 22 ist etwas Unverwechselbares. In der Regel jedenfalls, denn diesen Wirrwarr hatte sogar Tiffany im ersten Augenblick mit einem Müllhaufen verwechselt.
    »Ist schon erstaunlich, was man so alles in seinen Taschen findet, wenn man auf einem magischen Schrottplatz wohnt«, kommentierte Fräulein Schmied gelassen.
    Tiffany sah sich den Riesenwirrwarr genauer an. »Ist das etwa ein Pferdeschädel 23 ? Und das da ein Eimer mit Kaulquappen? «
    »Ja. Findest du es nicht auch hilfreich, etwas Lebendes einzubauen?«
    Tiffany kniff die Augen zusammen. »Aber das ist doch der Stab eines Zauberers, oder? Ich dachte immer, die funktionieren nicht mehr, sobald sie von einer Frau berührt worden sind!«
    Fräulein Schmied lächelte. »Ach was, den hat man mir schon in die Wiege gelegt. Wenn du genau hinschaust, siehst du noch die Abdrücke, die ich beim Zahnen mit meinen Beißerchen hinterlassen habe. Er gehört mir, und er funktioniert. Allerdings komme ich um einiges besser damit zurecht, seit ich den Knauf abmontiert habe. Der hat keinerlei praktischen Wert und bringt bloß das Gleichgewicht durcheinander. Kannst du die Kinnlade jetzt vielleicht wieder hochklappen?«
    Tiffany machte den Mund zu – und gleich wieder auf. Endlich war bei ihr der Groschen gefallen, beziehungsweise eingeschlagen wie ein Meteorit. »Sie sind es, nicht wahr? Sie müssen es sein. Sie sind sie ! Eskarina Schmied. Der einzige weibliche Zauberer!«
    »Irgendwo tief in mir drin wahrscheinlich, ja, aber das ist alles schon so lange her. Ich habe mich eigentlich nie wie ein Zauberer gefühlt, deshalb hat mich das Gerede der Leute auch nicht groß gestört. Außerdem hatte ich ja meinen Stab, und den konnte mir keiner nehmen.« Eskarina zögerte kurz, dann fuhr sie fort: »Das habe ich auf der Universität gelernt, ich selbst zu sein – das zu sein, was ich bin, und mir weiter keine Gedanken darüber zu machen. Dieses Wissen wirkt wie ein unsichtbarer Zauberstab. Aber ich möchte eigentlich nicht darüber reden. Davon werden nur unschöne Erinnerungen wach.«
    »Bitte entschuldigen Sie«, sagte Tiffany. »Es kam einfach so über mich. Es tut mir sehr leid, wenn ich böse Erinnerungen geweckt habe.«
    Eskarina lächelte. »Ach was, die bösen sind kein Problem. Mit den guten umzugehen kann da schon schwieriger sein.« In dem Wirrwarr klackerte es, und Eskarina ging hinüber. »Ach Gottchen, natürlich kann nur die Hexe den Wirrwarr lesen, die ihn auch zusammengebaut hat, aber glaub mir, die Art, wie sich der Schädel gedreht und sich das Nadelkissen neben der Achse des Spinnrads positioniert hat, zeigt eindeutig, dass der Tückische ganz in der Nähe ist. Direkt über uns, um genau zu sein. Vielleicht ist er aber auch durch die Zufallsmagie

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