Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das mittlere Zimmer

Das mittlere Zimmer

Titel: Das mittlere Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Lempke
Vom Netzwerk:
Johann fest und lächelte Rike zu.
    Du lieber Himmel, in was für eine Gesellschaft war sie denn hier geraten?! „Was habt ihr denn nur für ein Menschenbild?! Habt ihr deshalb lieber mit Tieren zu tun?!“ , beschwerte sie sich. Sie bekam eben ihr Mineralwasser serviert.
    Kommissar Heinz glotze sie an, ohne zu lächeln. „Ist Ihnen eigentlich klar, warum Religion sgründer aller Zeiten Gebote und Regeln erlassen haben? Um die Bestie Mensch unter Kontrolle zu halten! Und da diese Leute wussten, dass die besten Regeln nichts nützen, wenn es keine Strafen gibt, wurde die Hölle gleich mit erfunden! Psychologisch gesehen eine Meisterleistung.“
    Johann prostete ihm mit seinem Orangensaft zu. „Du solltest dankbar für die Hölle sein, sie nimmt dir einiges an Arbeit ab.“
    Rike gefiel die Richtung der Diskussion nicht. „Ach, du meinst, die meisten Menschen würden nur deshalb nicht raubend und mordend durch die Straßen ziehen, weil sie Angst vor Strafe haben?“
    „Natürlich“ , behauptete Kommissar Heinz. „Stellen Sie sich doch mal vor, es gäbe von heute auf morgen keine Gesetze und keine Polizisten mehr. Was löst das bei Ihnen aus?“
    Rike stellte es sich vor. Und sah leider sofort Banden aus Hunderten von Menschen, die G eschäfte plünderten, sah Massenkarambolagen auf den Straßen, und sah, wie Leute sich aus Wut und Habgier umbrachten.
    „Das ist zunächst erschreckend“ , räumte sie ein, „aber ich bin sicher, es gäbe immer noch genug vernünftige Menschen, die wieder für Ordnung und Gerechtigkeit sorgen würden.“
    Ein hagerer Mann neben Kommissar Heinz ließ ein schiefes Grinsen sehen. „Vielleicht hätten wir eine Chance, wenn wir den Leuten den Alkohol wegnehmen.“
    Johann schüttelte den Kopf und widersprach. „Das klappt aber nicht. Wer Alkohol braucht, der wird ihn sich irgendwie beschaffen.“
    „Richtig“, schloss der Kommissar sich ihm an. „Der Mensch funktioniert wie alle Lebewesen: nach dem Schmerz/Lust Prinzip. Vermeidung von Schmerz, Streben nach Lust und Freude. Das ist das Grundprinzip. Darauf beruht jedes Handeln. Das tun wir alle.“ Er glotzte einen nach dem anderen an, als erwarte er Beifall.
    Rike machte ein freundliches Gesicht, als sie ihren Einwand vorbrachte. „Und was ist mit denen, die anderen Menschen selbstlos helfen? Oder die sogar ihr Leben für andere riski eren oder opfern?“
    Kommissar Heinz tat so, als dächte er einen Moment nach. „Selbstloses Verhalten ist oft gar nicht so selbstlos. Für viele ist es eine Art Selbstbestätigung, wie edel sie doch sind. Andere wollen vielleicht schwere Schuldgefühle kompensieren. Wir können das ja mal an einem ko nkreten Beispiel durchgehen.“
    „Nein, das ist nicht nötig “, sagte Rike schnell.
    Heinz hatte den Blick seiner durch die Brillengläser vergrößerten Augen auf ihr Gesicht g eheftet, bis Rike nach fünf Sekunden wegsah, und zwar beinah hilfesuchend in Johanns Richtung.
    „Du solltest dich vor ihm in Acht nehmen, er ist ein besessener Hobbypsychologe“, warnte Johann und amüsierte sich.
    Rike sah Heinz doch wieder in die gruseligen Augen und bemerkte ein wenig schni ppisch: „Ich finde, dass wir uns deutlich von Tieren unterscheiden! Was ist zum Beispiel mit Humor, mit Sprache, mit kreativen Leistungen? Affen können nicht Klavierspielen.“
    „Richtig. Massenmörder aber schon.“ Kommissar Heinz lächelte sie freundlich an.
    Jetzt hatte Rike endgültig genug von der Diskussion. „Ich kann Sie wohl nicht von Ihrer schlechten Meinung über die Menschheit abbringen. Dann wechseln wir eben das Thema. Wie finden Sie das Sanierungsmodell für den Stadtpark?“
    Trösser links von ihr lachte.
    Auch Kommissar Heinz lächelte noch. „Das interessiert mich weniger. Verstehen Sie mich nicht falsch: ich halte die Menschen nicht für grundsätzlich schlecht. Aber ich weiß, dass unter der dünnen Schicht aus Kultur und Zivilisation das Tier lauert. Die meisten Menschen begehen Verbrechen nicht aus moralischer Verdorbenheit (was immer das übrigens sein mag), sondern weil die Gefühle mit ihnen durchgehen. Hass, Zorn, Neid, Angst, alles Gefühle, die schon unsere tierischen Vorfahren hatten. Deshalb passiert ja auch die Mehrzahl der Morde unter Menschen, die sich kennen - und hassen.“
    „Auf die, die sich lieben!“ , rief Johann und prostete erst Kommissar Heinz und dann Rike mit seinem Orangensaft zu.
    Auch hierzu musste der Kommissar einen Kommentar abgeben: „Ihr glaubt gar nicht, wie

Weitere Kostenlose Bücher