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Das mittlere Zimmer

Das mittlere Zimmer

Titel: Das mittlere Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Lempke
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dass er die Sachen mit Absicht vergessen hatte, um seine Ehefrau sozusagen auf frischer Tat zu ertappen?!
    Rike hielt wieder den Atem an. Hatte sie auch keine Spuren im Zimmer hinterlassen? Hatte sie das Heft wirklich ordentlich und weit genug in die Reihe zurückgeschoben? Hatte sie die Schranktür richtig geschlossen? Den Vorhang lückenlos in die korrekte Position gezogen?
    Johann sah sich keine zwei Minuten im Zimmer um, dann vernahm Rike den Schlüssel im Türschloss und Johanns Schritte auf der Treppe, die sich schnell entfernten. Sie atmete vorsichtig weiter und lauschte konzentriert. Aber viel war nicht zu hören, bis das Geräusch eines davonfahrenden Wagens durch die unverkleideten Dachziegel an ihr Ohr drang.
    Hatte sie es wirklich heil überstanden? Wie als Antwort begannen ihr ang estoßener Kopf und ihre gequetschten Finger zu schmerzen. Aber das war nichts im Vergleich zu dem Schmerz, der plötzlich in ihrem Inneren aufschrie: Johann hatte sich nicht geändert! Er hatte weiter gemordet! Sie war mit einem gemeingefährlichen Mörder verheiratet! Wie Antonia gesagt hatte, Johann war ein Ungeheuer! Wie sollte das jetzt weitergehen?!
    Rike überließ sich ihrem Schmerz und ihrer Ratlosigkeit und ihren Tränen und weinte in der Ecke unter der Dachschräge minutenlang vor sich hin, die Beine fest umkla mmert, den Kopf an die Knie gedrückt.
    Aber allmählich schlich sich eine seltsame En tschlossenheit in ihren Verstand. Sie hob den Kopf. Jetzt, da sie sowieso schon hier war, jetzt, da sie noch mindestens eine Stunde Zeit hatte, jetzt, da es ihr beinah egal war, ob Johann sie erwischte oder nicht - jetzt wollte sie alles wissen!
    Sie drehte sich auf die Knie, nahm die Platte aus der Wand und kroch zurück ins Arbeitszi mmer. Trotz aller wilden Entschlossenheit schaute sie zuerst aus dem Fenster. Johann war weggefahren. Rike umrundete den Schreibtisch, öffnete den Schrank und streckte die Hand aus. Nach dem letzten Heft. Nach der letzten Wahrheit.
    Und dann? Würde sie Johann verlassen? Würde er sie gehen lassen?
    Also was?! Wollte sie nun alles wissen oder nicht?!
    Sie nahm das dicke Heft vom Ende der Reihe, die noch nicht ganz vollgestellt war. Damit die Hefte dort nicht umkippten, hatte Johann sie mit einer billigen, braunen Plastikbuchstütze gesichert. Rike ging zurück zum Fenster und schlug die ersten Se iten auf. Es fing damit an, dass Johann sich freute, das Haus auf der Weide wieder verkauft zu haben. Es wurde Zeit, denn er wurde älter. Er hatte es über einen befreundeten Immobilienmakler verkaufen lassen. Rike kaute auf ihrer Unterlippe herum. Wie leicht man doch getäuscht werden konnte.
    Plötzlich fiel ihr ein Datum ins Auge: der Tag nach Ostermontag, an dem die Wo lters zum erstem Mal das Haus betreten hatten.
     
    13. April
    Schon bei unseren ersten kurzen Begegnungen fiel mir auf, wie schön diese Frau ist. Aber gestern durfte ich feststellen, dass sie auch klug, warmherzig und sehr einfühlsam ist, beso nders letzteres ganz im Gegensatz zu meiner lieben Helga.

Der Mann hingegen ist, wie so viele Vertreter seines Geschlechts, ein Spötter mit kleinem Selbstwert- und unterentwickeltem Mitgefühl. Es wird leicht sein, die Frau für mich zu gewinnen. Sie ist viel zu schade für ihn. Ganz abgesehen davon, dass er sich schon bald in einen rasenden Psychopathen verwandeln wird.
    Ich muss nur gut aufpassen, dass die liebreizende Friederike keinen allzu großen Sch aden nimmt.
     
    Wie redete der Kerl über Achim! Und Hannah erwähnte er mit keinem Wort! Rike lachte einmal bitter auf. Ach ja, Kinder waren ihm fremder als die blaue ,Isis‘, der er freundlicherweise ein paar Zimmer in seinem Haus zur Verfügung gestellt hatte!
    Rike blätterte weiter und kam zu einem Eintrag über ihren ersten Besuch bei den Wolters.
     
    26. April
    Manchmal ist es eine unerträgliche Qual! Seit Tagen denke ich immerzu an sie, und muss mich doch in Geduld und Beherrschung üben! Aber Friederike ist noch nicht so weit. Sie glaubt noch, es sei alles nur eine vorübergehende Erscheinung, es würde schon alles gut werden.
    Doch ich habe den Eindruck, sie hat gemerkt, dass da etwas zwischen uns ist, dass es da eine Verbindung gibt, die uns immer stärker und immer schneller zuei nander hinzieht.
     
    Rike seufzte einmal tief auf und schüttelte dabei den Kopf. Ja sicher, das hatte sie gemerkt, und sie hatte ihm nicht widerstehen können! Aufgewühlt blätterte sie weiter. Sie wollte etwas über Helgas Tod wissen! Und

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