Das mittlere Zimmer
dann hatte sie es gefunden.
3.Mai
Was für ein Tag! Mein Plan ist gelungen! Und eine Belohnung habe ich auch noch dafür b ekommen!
Wieder einmal hat sich bestätigt, dass man auch heute noch den perfekten Mord begehen kann, allen DNS-Analysen zum Trotz! Dank der überforderten, unterbezahlten Polizei und der ewigen Sparmaßnahmen der Regierung!
Sicher werden sie Helga noch einmal eingehend untersuchen, aber eben nicht den guten, alten Nero. Ich habe ihm einen selbst gemixten Cocktail aus Substanzen gespritzt, die ihn aggressiver machten als einen hungrigen Löwen. Und Glück war auch noch im Spiel: hätte sich Nero nicht in Helgas Kehle verbissen, sondern in einen anderen Körperteil, hätte ich zweifellos ein wenig nachhelfen müssen.
Doch das Beste an diesem Tag kam eine Weile später. Das Beste an diesem Tag hieß Fried erike, die sich von mir umarmen ließ, zunächst mit durchaus spürbarem Widerstand, aber plötzlich sank mir dieser junge, schöne, warme Körper entgegen, dass ich kaum noch wusste, wohin mit meinen Gefühlen.
Rike warf beinah reflexhaft einen Blick aus dem Fenster. Aber sie sah nicht wirklich etwas. Ihr Herz schlug entsetzt, ihr Magen schmerzte. Johann hatte Helga nicht in einem Wutanfall getötet, er hatte ihre Ermordung bis ins Detail geplant! Er hatte es als Unfall getarnt, den ihm sogar der Notarzt abgekauft hatte! Der Mann war ein Killer! Ein intelligenter, völlig skrupelloser und geübter Killer! Gefährlicher als jedes Raubtier auf Erden!
Was sollte sie tun?!
Sie tastete hinter sich, fand den Schreibtisch, hielt sich fest. Einmal kurz setzen. Sie ließ sich in den Sessel in der Ecke plumpsen. Ihre Gedanken kreisten unablässig um dieselbe Frage: Was soll ich jetzt tun? Was soll ich jetzt tun?
Ihr Verstand hatte darauf noch keine Antwort ... aber das leise, penetrante Stimmchen in i hrem Hinterkopf drängelte auf einmal: Lies weiter! Lies weiter!
Rike stand auf, ging mit weichen Knien zum Fenster und sah hinaus. Kein Johann. Ihr Blick wanderte ins Heft, und was sie über Helgas Beerdigung und ihre eigene dreiwöchige Abw esenheit las, erreichte sie kaum. Natürlich hatte dieser Lügner gewusst, warum sie verschwunden war!
Rike blätterte weiter. Da stand etwas über ihren ersten Kuss und über die erste Bege gnung auf Johanns Ledersofa, einen Tag, bevor Achim versucht hatte, die ganze Familie auszulöschen.
4. Juni
Jedes Mal, wenn sie geht, werde ich hinabgerissen in einen Strudel aus tiefer Tra urigkeit und innerer Leere, aus dem ich mich nur mühsam an den eigenen Haaren herausziehen kann, indem ich mich an ihre Stimme und ihre Augen erinnere, an eine Umarmung, an einen Kuss. Und ab heute kann ich mich an ihr lustvolles Stöhnen, an ihre geschmeidigen Bewegungen und an meine Verzückung in den feuchtheißen Tiefen ihres Schoßes erinnern. Ich bin verrückt nach ihr. Ich liebe sie wie keine Frau vorher. Und ich habe große Angst, dass ihr etwas zustößt, bevor ich es verhindern kann.
Über das Entsetzen schob sich ganz kurz die Wut. Johann liebte sie, wie keine Frau vorher?! Wie oft hatte sie das in seinen Aufzeichnungen gelesen?! Liebe dauerte bei Johann definitiv nicht ewig! Was er mit Frauen machte, die ihm zu alt, zu lästig oder zu neugierig wurden, war Rike hinreichend bekannt!
Wie würde er reagieren, wenn er herausfand, dass sie all seine Geheimnisse kannte, oder wenn ihm (falls er es nicht herausfand) in ein paar Jahren ein jüngeres, hübsch eres Exemplar von Frau über den Weg lief?!
Rike ließ sich zu einem bitteren Lachen hinreißen und blätterte weiter bis zum 5. Juni, dem Tag, an dem Johann sie aus der Garage gerettet hatte.
5. Juni 23.15 Uhr
Ich zittere immer noch. Innerlich. Beinah hätte ich sie verloren! Und die Ärzte sagen, ihr Zustand sei immer noch kritisch, man wisse nicht, ob sie bleibende Schäden davontragen wird. Und dabei habe ich doch alles getan, um das Schlimmste zu verhindern!
Nach ihrem Anruf gestern Abend wusste ich, dass es so weit war: ihr Mann würde in den nächsten 24 Stunden versuchen, sich und seine Familie umzubringen. Also b egann ich sofort, das Haus zu überwachen. Nach Mitternacht schlich ich mich mit Hilfe meines Zweitschlüssels sogar mehrmals in die Schlafzimmer, um nach dem Rechten zu sehen.
In der Nacht passierte nichts. Am frühen Morgen fuhr ich kurz nach Hause, um mich ein bis schen frisch zu machen und einen Kaffee zu
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