DAS MODEL UND DER MILLIARDÄR
verzweifelt.
Der Polizeibeamte seufzte. „Wenn Sie dabei bleiben, wirdman Sie aller Wahrscheinlichkeit nach der Beihilfe und Begünstigung in dem Fall von Unterschlagung zum Nachteil von ‚Happy Holidays‘ anklagen, dessen Ihre Mutter verdächtigt wird. Denn gegenwärtig deuten alle Beweise, einschließlich ihres anscheinend sorgfältig geplanten Verschwindens, darauf hin, dass sie die Haupttäterin war.“
„Nein, nein!“, widersprach Lydia erregt.
„Und fadenscheinige Lügengeschichten werden mich oder den Richter kaum vom Gegenteil überzeugen“, erklärte der Inspektor gereizt. „Verschwenden Sie nicht länger unsere Zeit, Miss Powell. Früher oder später wird Ihre Mutter gefunden und strafrechtlich belangt werden, ohne dass Sie irgendetwas daran ändern könnten. Deshalb schlage ich vor, dass Sie jetzt nach Hause gehen und Ihre Haltung noch einmal gründlich überdenken.“
Lydia war den Tränen nahe, als sie die Polizeiwache verließ. Wie hatte sie es nur geschafft, die Sache derart zu verpfuschen? Es war ihr nicht gelungen, die Polizei zu überzeugen, dass sie die Alleinschuldige sei. Stattdessen stand ihre Mutter kurz davor, aufgespürt und vor Gericht gezerrt zu werden. Dabei war sich Lydia nur in einem Punkt sicher: Ihre verängstigte Mutter versteckte sich ganz bestimmt nicht in einer Villa mit Pool an der französischen Riviera!
Obwohl es Lydia ziemlich mitgenommen hatte, als ihr klar geworden war, was ihre Mutter getan hatte, begriff sie doch, wie verzweifelt Virginia gewesen sein musste. Im Frühjahr hatte Lydia widerstrebend eingewilligt, ihren Namen für die Wohltätigkeitsmodenschau herzugeben, an deren Veranstaltung Virginia ihr Herz gehängt hatte, und sie hatte noch einige weitere Models dafür angeworben. Etwa um die gleiche Zeit bedrängte Dennis sie, ihm erneut Geld zu leihen, was sie erstaunte, denn ihr Stiefvater wusste eigentlich ganz genau, dass der Bankrott seines Nachtklubs sie um den letzten Penny gebracht hatte.
„Aber du weißt doch, dass ich nichts mehr habe!“
„Komm schon, ich bin nicht von gestern.“ Er bemühte sich, seinem grobschlächtigen Gesicht einen jovialen Ausdruck zu geben. „Du hast doch mindestens noch ein Geheimkonto, eine stille Reserve, von der niemand etwas weiß. Mir kannst du es ruhig sagen – ich werde es dem Finanzamt nicht verraten.“
Lydia zog resigniert die Brauen hoch. „Schön wär’s!“
„Ich glaube dir nicht. Du verheimlichst mir etwas. Man hat mir eine tolle Gelegenheit angeboten, aber mir fehlt das Kapital.“
„Tut mir wirklich leid, aber ich kann dir nicht helfen.“
Seine blassblauen Augen blitzten zornig auf. „Nicht einmal deiner Mutter zuliebe?“
Wie üblich zuckte sie schuldbewusst zusammen, schüttelte aber den Kopf. „Ich kann dir nicht geben, was ich nicht habe.“
Natürlich hatte sie sich Gedanken darüber gemacht, dass ihr Stiefvater immer noch Geld von ihr erwartete, obwohl er längst selber gut für seinen Lebensunterhalt hätte sorgen können. Allerdings war ihr nie in den Sinn gekommen, dass irgendetwas ernsthaft im Argen sein könnte, bis gehäufte Beschwerden der Direktorin von „Happy Holidays“ wegen nicht eingegangener Zahlungen und fadenscheinige Erklärungsversuche ihrer Mutter sie veranlassten, persönlich nach Cheltenham zu reisen. Dort stellte sie dann überrascht fest, dass Virginia bereits das Haus, das Lydia ihr geschenkt hatte, verkauft hatte und in ein Hotel gezogen war.
„Was, in aller Welt, geht hier vor?“, fragte Lydia, als sie ihre hübsche blonde Mutter in deren Hotelzimmer aufsuchte. „Warum hast du das Haus verkauft?“
Ihre Mutter betrachtete sie verbittert. „Du hast auch noch den Nerv zu fragen? Schließlich bist du doch für das Scheitern meiner Ehe verantwortlich!“
Lydia schluckte. „Wie bitte? Was habe ich denn getan?“
„Du hast meinen Mann arbeitslos gemacht. Und jetzt hat Dennis mich wegen einer anderen verlassen – was kein Wunder ist, denn wir haben furchtbare finanzielle Probleme, sodass ich sogar das Haus verkaufen musste. Kannst du dir vorstellen, wie ich mich fühle?“
Mitfühlend versuchte Lydia, ihre Mutter in den Arm zu nehmen, was diese sich nur sehr widerwillig gefallen ließ.
„Du liebe Güte, Lydia … schon gut.“
„Es tut mir so leid für dich“, flüsterte Lydia kläglich.
„Das kommt ein bisschen spät. Wenn du wieder ins Model-Geschäft zurückgekehrt wärst, als wir dich darum gebeten haben, hätte ich jetzt noch einen
Weitere Kostenlose Bücher