DAS MODEL UND DER MILLIARDÄR
dir etwas zum Anziehen.“
Mit gesenktem Kopf blieb Lydia allein zurück. Noch nie in ihrem Leben war sie sich so allein und verloren vorgekommen.
Cristiano brachte ihren abgetragenen hellrosa Morgenmantel, den er zu ihren Füßen aufs Bett legte. Sorgfältig wahrte er Distanz, als hätte sie eine Schutzzone um sichgezogen. Linkisch zog Lydia sich den Morgenmantel über, wobei sie Cristianos Hilfe schweigend abwehrte.
Als sie im Vorbeigehen Cristiano versehentlich berührte, lief ihr ein Schauer über den Rücken. Auf keinen Fall sollte er merken, wie schwach und verletzlich sie sich fühlte. „Wenigstens weißt du jetzt, dass ich dich nicht eifersüchtig machen wollte, als ich an jenem Wochenende mit Mort Stevens durchgebrannt bin.“
„Und dass du vielleicht nicht übertrieben hast, als du sagtest, du würdest mich hassen“, fügte er ausdruckslos hinzu.
„Nun, das hat dich bis jetzt nicht besonders gestört. Sehen wir doch der Wahrheit ins Auge“, meinte sie schärfer als beabsichtigt, „du bist nicht gerade Mr. Einfühlsam!“
Cristiano sah zu, wie sich die Tür zwischen ihnen schloss, und es gefiel ihm gar nicht. Er fluchte leise, während ihn ein bislang völlig unbekanntes Gefühl von Frustration packte. Cristiano Andreotti war es nicht gewöhnt, überrascht oder gar ins Unrecht gesetzt zu werden. Dass es ihm heute gleich zweimal passiert war, schockierte ihn zutiefst. Allerdings sah er nun auch klarer. Die Sache mit Mort Stevens damals war eine reine Vergeltungsaktion gewesen. Es machte ihn unglaublich wütend, zu wissen, dass er diese Erfahrung Philip zu verdanken hatte sowie der Tatsache, dass er so dumm gewesen war, sich auf diese unselige Macho-Wette einzulassen.
Sein Entschluss stand fest. Er hatte Lydia völlig falsch beurteilt, und sie hatte einen hohen Preis dafür bezahlt. Das musste er wiedergutmachen.
Eine freundliche, ältere Frau, die sich in gutem Englisch als die Haushälterin vorstellte, besprach mit Lydia ihre Essenswünsche. Danach gönnte sich Lydia erst einmal ein ausgiebiges Bad, wobei sie ihren Nabel schrubbte, bis das falsche Tattoo verschwunden war. Sich Cristianos Namen auf denBauch malen zu lassen, war zweifellos keine brillante Idee von ihr gewesen, denn sie glaubte immer noch, seine Lippen auf dieser Stelle zu spüren.
Bekleidet mit einem kurzen Seidenpyjama, fragte Lydia die Mailbox ihres Handys ab in der stillen Hoffnung, ihre Mutter hätte sich gemeldet. Denn sie konnte es kaum erwarten, Virginia endlich die frohe Neuigkeit mitzuteilen, dass sie keinerlei polizeiliche Verfolgung mehr zu befürchten habe. Doch auf der Mailbox war keine Nachricht hinterlassen worden, und Lydia versuchte, ihre Enttäuschung darüber zu unterdrücken.
Obwohl das Abendessen an einem schön gedeckten Tisch in dem luxuriösen Empfangssalon serviert wurde, der zu ihrer Suite gehörte, zog Lydia es vor, im Schneidersitz auf dem Bett zu essen, wo an der gegenüberliegenden Wand ein riesiger Plasmafernseher auf sie wartete. Um sich abzulenken, sah sie sich während des Essens eine Gartensendung an. Sobald sie satt war, kroch sie unter die Bettdecke und schloss die Augen. Doch so erschöpft sie auch war, es gelang ihr nicht, Cristiano aus ihren Gedanken zu verbannen, und mit seinem Bild vor Augen schlief sie schließlich ein.
Erst am späten Vormittag wachte Lydia wieder auf, als ein Hausmädchen die Vorhänge aufzog und ihr einen Tee brachte. Nach einer ausgiebigen Dusche fühlte sie sich erfrischt und stellte erstaunt fest, dass in dem begehbaren Einbauschrank in ihrem Zimmer praktisch alle Modelle hingen, die sie Cristiano am Abend zuvor vorgeführt hatte. Sie zögerte nur kurz. War es wirklich den Ärger wert, sich dagegen zu wehren, wenn Cristiano sie unbedingt so teuer und exklusiv einkleiden wollte? Sollte sie nicht vielmehr den Tatsachen ins Auge sehen? Alles hatte seinen Preis, und sie hatte aus freien Stücken den Vertrag unterschrieben, um ihre Mutter zu schützen und auch selber dem Gefängnis zu entgehen. Jetzt war sie Cristianos Geliebte, eineTrophäe, mit der er sich schmückte. Also musste sie sich auch entsprechend präsentieren.
Kurze Zeit später rief Cristiano sie an, um sie einzuladen, mit ihm auf der Terrasse zu Mittag zu essen.
„Hast du gut geschlafen?“, erkundigte er sich sanft.
Der warme Klang seiner Stimme war wie eine erotische Liebkosung. Lydia errötete. „Ausgezeichnet.“
„Als ich gegen Mitternacht nach dir gesehen habe, hast du dich jedenfalls
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