Das Model und der Scheich
schnell frühstücken und aufbrechen. Im Sommer immer früh gehen.“
„Bei Faraj?“, fragte Desirée.
Kopfschüttelnd bedeutete Fatima, dass sie dieses Wort nicht übersetzen konnte. Desirée benutzte ihre Finger, um die Uhrzeit herauszubekommen. „Sieben Uhr? Sechs? Oder um acht?“
Auch Fatima verlegte sich nun auf die Zeichensprache.
Sie blickte nach oben und beschrieb mit beiden Händen einen großen Bogen. „Nacht. Dann Sonne …“ Mit einem Arm deutete sie den Horizont an und bewegte die Finger.
„Bei Sonnenaufgang!“
Doch Fatima schüttelte energisch den Kopf. „Davor. Faraj . Muezzin.“
Desirée nickte. Also beim Morgenruf des Muezzins. Noch in der Dunkelheit. So würden sie beim ersten Strahl der Sonne den Palast verlassen können.
Das war kein Problem für Desirée. Denn obwohl sie gern ausschlief, brachte es ihr Beruf doch manchmal mit sich, dass sie sehr früh aufstehen musste.
Was ihr wirklich schwerfiel, war, Salih so lange nicht zu sehen. Und das umso mehr, weil sie nicht sicher sein konnte, dass er ihr nicht absichtlich aus dem Weg ging. Vielleicht hatte er Angst vor seinen eigenen Gefühlen und wollte nicht noch einmal der Versuchung erliegen? Womöglich fühlte er sich schuldig?
Oder, am schlimmsten, ihm war ein Mal genug, sodass sie ihm ab sofort nur noch eine Last war …
Desirée war vollkommen durcheinander. Woher kam es, dass sie Salih trotz allem noch immer begehrte? Die körperliche Anziehung zwischen ihnen war ebenso stark – wenn nicht sogar stärker – wie vor zehn Jahren.
Und das, obwohl sie Salih in der Zeit der Trennung regelrecht gehasst hatte.
Sie aß alleine und lauschte dem Abendruf des Muezzins. Fatimas Vorschlag, fernzusehen, lehnte sie ab. Stattdessen zog sie sich in ihr Schlafzimmer zurück.
Von dort aus rief sie Samiha an, die sehr froh war, endlich ihre Stimme zu hören.
„Ich bin’s, Desirée. Wir brechen morgen früh zur Ausgrabungsstätte auf, und wahrscheinlich bin ich in der Wüste nicht über Handy zu erreichen. Also werden wir eine Zeit lang keinen Kontakt haben. Drück mir die Daumen …“
Unruhig las sie ein paar Seiten, dann kniete sie sich aufs Bett, machte die Lampe aus und zog die Holzjalousie hoch. Auf die Ellbogen gestützt, betrachtete sie den nächtlichen Hof und den klaren Sternenhimmel.
Wenn sie nur wüsste, in welche Richtung es morgen ging! Doch der Weg, den sie einschlagen würden, lag ebenso im Dunkel wie Desirées Zukunft.
Sie empfand weder Angst noch Hoffnung, nur eines: große Sehnsucht nach Salihs Nähe. Bitte, er soll zu mir kommen …
Nach einer Weile ließ sie sich zurück ins Bett gleiten. Irgendwann schlief sie ein.
Bis sie plötzlich erwachte. Durch das Fenster über ihrem Kopf wehte ein kühler Luftzug und brachte die Lamellen der Jalousie zum Klappern. Doch davon war sie nicht aufgewacht …
Sie richtete sich auf, um die Lampe einzuschalten. Doch noch ehe sie dazu kam, war er bei ihr und kniete vor ihrem Bett.
„Desi“, flüsterte er, heiser vor Verlangen. „Disie.“
Sie streichelte sein Haar, und im nächsten Moment spürte sie ihn neben sich.
7. KAPITEL
Rechter Hand ging hell die Sonne auf, während sich Salih und Desirée in einem Geländewagen der Bergkette näherten, die in der Morgendämmerung vor ihnen lag. Schon jetzt versprach es, ein heißer Tag zu werden.
„Was für ein Panorama“, flüsterte Desirée fast andächtig. Man sah bis zum schneebedeckten Gipfel des Mount Shir, der als höchster gleichsam über den anderen Bergen wachte wie der Löwe, dem er seinen Namen verdankte.
Salih blickte zu Desirée hinüber und wandte schnell den Blick wieder ab. Sie war schöner als je zuvor, mit sanft schimmernder Haut und glänzenden Augen. Eine Frau, hinter der eine Nacht voller Leidenschaft lag.
Für Salih waren diese Veränderungen der beste Beweis, dass er sie glücklich gemacht hatte.
Eine Welle von männlichem Stolz durchflutete ihn. Denn darin bestand seiner Ansicht nach die höchste Pflicht des Mannes: seine Frau glücklich zu machen. Wenn er daran dachte, wie süß sie war, schien es ihm, als erklänge tief in seinem Herzen eine angenehme Melodie …
Zehn Jahre lang hatte er nichts Vergleichbares erlebt.
„Ich habe dir schon damals gesagt, dass es dir gefallen wird“, sagte er. Und damit meinte er nicht die Landschaft.
Da Desirée nichts erwiderte, hing er wieder seinen Gedanken nach. Meine Geliebte. Aber sie gehörte ihm nicht und würde ihm nie wieder gehören. Wie wunderbar
Weitere Kostenlose Bücher