Das Model und der Scheich
gestaltete Frauenstatue, die auf dem Kopf ein großes Diadem trug. Die langen, gewellten Haare, die ihr bis auf den Rücken reichten, waren kunstvoll modelliert.
Brüste und Po waren deutlich herausgearbeitet. Allerdings hatte man der Skulptur offenbar vor Kurzem eine Art Mantel aus frischem, hellerem Lehm angezogen, von dem etwas abbröckelte, als Desirée sie in die Hand nahm.
„Wie alt mag diese Figur sein?“, fragte Desirée fasziniert.
„Sehr, sehr alt“, übersetzte Salih.
„Glaubst du, das stimmt?“
„Ich glaube nicht, dass die Beduinen eine Fälschung dieser Art herstellen würden. Für sie wäre das Gotteslästerung. Darum haben sie auch den Lehmmantel angefertigt.“
Echt oder gefälscht – Desirée war es egal. Ihr gefiel die Figur.
„Wie viel kostet sie?“
Wieder übersetzte Salih. „Zwanzig Dirham.“
Desirée zuckte zusammen. „Warum so wenig? Dann muss sie doch gefälscht sein.“
„Auf ihren Wanderungen finden die Beduinen immer wieder solche Stücke im Sand. Ihnen bedeuten sie nichts, und den Touristen gefallen sie. Und zwanzig Dirham sind für Nomadenstämme viel Geld.“
Als Desirée gezahlt hatte, wurden ihre Einkäufe sorgfältig in Stoffreste und alte Zeitungen gewickelt und in eine ramponierte Plastiktüte gesteckt. Desirée dankte den Frauen und erhob sich.
Nach einer freundlichen Verabschiedung brachen Salih und Desirée auf.
Später im Auto fragte sie: „Haben sie überhaupt Gelegenheit, das Geld auszugeben?“
„Manchmal fahren sie mit dem Taxi in die Stadt. Die Lager werden nicht immer so weit von Siedlungen entfernt aufgeschlagen. Oft kommen auch fahrende Händler vorbei.“
„Aber die Frau, die die Schnitzereien macht, bekommt ihre Farben nicht?“
„Möglich.“
„Wenn ich die Farben auftreiben würde, gäbe es denn einen Weg, sie ihr zu schicken?“
Nach kurzem Schweigen fragte Salih: „Warum machst du dir deswegen Gedanken?“
„Weil sie eine Künstlerin ist. Und Künstler brauchen Material, mit dem sie arbeiten können. – Also, was meinst du?“
„Ja, das könnte gehen. – Aber seit wann interessierst du dich eigentlich so sehr für Volkskunst und Antiquitäten meines Landes?“
„Ich bin beruflich viel unterwegs. Und die meiste Zeit sehe ich dabei nur den Aufnahmeort und mein Hotelzimmer. Weißt du, mir geht es nicht einmal so sehr um die Kunst, sondern um die Menschen. Die Frauen waren sehr freundlich zu uns und wirkten, als könnten sie das Geld brauchen.“
„Aber die Göttin ist ein Sammlerstück. Bist du Sammlerin?“
„Die Skulptur ist eine Göttin? Woher weißt du das?“, fragte Desirée verblüfft und holte sie aus der Verpackung.
„Wie heißt sie?“
„Das kommt auf den Fundort an. Mein Vater würde sagen, sie ist auf jeden Fall eine Liebes- oder Fruchtbarkeitsgöttin.“
Stirnrunzelnd überlegte Desirée. „Inanna! So hieß doch bei den Sumerern die Göttin der Liebe, oder?“
Salih nickte. „Sicher weiß mein Vater mehr.“
„Wenn das stimmt, wäre sie ja tatsächlich fünftausend Jahre alt!“, rief Desirée ehrfürchtig. Beinahe schien es ihr, als ob die Kraft der kleinen Figur auf sie überging.
Dann erschrak sie. „Aber darf ich etwas so Wertvolles überhaupt behalten?“
„Es kann sein, dass sie dir auf dem Flughafen weggenommen wird. Bei uns ist die Ausfuhr von Antiquitäten nicht erlaubt. Sie gehören zu unserem kulturellen Erbe. Dafür haben wir Museen …“
„Sieht so aus, als müsste ich mich von meiner kleinen Glücksbringerin trennen.“
„Natürlich wird nicht alles gefunden, höchstens vierzig Prozent. Wenn du die Figur geschickt in deinem Koffer versteckst, wird sie vielleicht nicht entdeckt.“
„Du hältst mich wohl für eine Schmugglerin“, scherzte sie. „Glaubst du, dass ich so etwas tun würde?“
„Na ja. Es sieht so aus, als ob sie dir gefällt …“
„Ich bin doch keine Diebin!“, rief sie empört.
„Du hast immerhin für sie bezahlt. Die meisten Menschen würden das nicht Diebstahl nennen.“
„Jetzt mach aber mal einen Punkt! Nachts schlafen wir miteinander, und am Morgen erleichterst du dein Gewissen, indem du mich schlechtmachst. Das hatten wir schon, Salih. Bitte nicht noch einmal!“
Er biss die Kiefer zusammen. „Ich habe es nicht so gemeint. Entschuldige bitte. Durch meine Arbeit weiß ich einfach, dass es viele Leute gibt, die sich für anständig halten, aber in diesem Punkt nicht die geringsten Skrupel haben.“
„Durch deine Arbeit?“
„Zu meinen
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