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Das Mönchskraut

Das Mönchskraut

Titel: Das Mönchskraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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strahlten.
    Glücklicherweise erkannte sie ihn nicht. Warum sollte sie auch? Er mußte sich viel stärker verändert haben als sie. Eine halbe Welt, die ihr fremd war, hatte ihn geprägt und beeinflußt, hatte sowohl seinen Körper als auch seinen Geist gewandelt.
    Sie sah nichts weiter als einen Mönch vor sich, der sich mit Kräutern und Arzneien auskannte und den man herbeigeholt hatte, damit er ihren Mann rettete.
    »Bitte, komm mit mir, Bruder ... Er liegt hier drinnen ... Der Bruder Krankenpfleger hat ihn schon zu Bett gebracht. Ich flehe dich an - hilf ihm!«
    »Ich will es gerne tun - wenn ich es kann und Gott mir beisteht.« Cadfael folgte ihr in den Nebenraum. Ungeduldig schob sie ihn durch das Wohnzimmer, das mit einem Tisch und Bänken eingerichtet war. Überall lagen die Reste einer Mahlzeit verstreut, die sicher nicht nur durch die plötzliche Erkrankung eines Menschen unterbrochen worden war. Außerdem - das Dienstmädchen hatte berichtet, Master Bonel hätte sich unmittelbar nach dem Essen wohl gefühlt. Trotzdem lagen Scherben auf der Tischplatte und am Boden. Doch Cadfael fand keine Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen, denn die Mistreß zog ihn bereits ins Schlafzimmer.
    Bruder Edmund erhob sich von einem Stuhl, der neben dem Bett stand, und blickte Cadfael mit großen, sorgenvollen Augen entgegen. Er hatte den Kranken beruhigt, so gut er es vermochte, und ihn vom Hals bis zu den Zehen in Decken gewickelt, aber mehr hatte er nicht tun können. Cadfael trat näher und sah auf Gervase Bonel hinab, einen großen, dicken Mann mit dichtem, leicht ergrautem, braunem Haar. Sein kurzer Bart war von dem Speichel benetzt, der zu beiden Seiten aus seinem halb geöffneten, starren Mund floß. Die erweiterten Pupillen schauten ins Leere. Die kraftvoll gezeichneten Gesichtszüge hatten sich zu einer Fratze verzerrt. Der Puls, nach dem Cadfael nun tastete, ging schwach, langsam und ungleichmäßig. Der Atem rang sich flach und mühsam aus der verkrampften Kehle, Kinn und Hals wirkten wie versteinert.
    »Bringt eine Schüssel«, sagte Cadfael und kniete neben dem Bett nieder, »und schlagt ein paar Eiweiß in Milch. Wir werden versuchen, das Zeug aus ihm rauszukriegen, aber ich fürchte, es ist zu spät. Wenn er es erbricht, könnte es ihm genauso schaden, wie wenn er es verdauen würde.« Er wandte nicht den Kopf, um zu sehen, wer seine Aufträge erfüllte, aber er merkte, daß außer Bruder Edmund, Mistreß Bonel und dem Kranken noch drei andere Leute anwesend waren. Zweifellos Aelfric und das Mädchen ... Den dritten erkannte er erst, als sich jemand bückte, um eine Holzschüssel vor das Kinn des Patienten zu halten und den starren Kopf hochzuheben. Diese schnellen, geschickten Bewegungen gefielen Cadfael. Er sah kurz auf und blickte in das entsetzte Gesicht des jungen Walisers Meurig, des Großneffen von Bruder Rhys.
    »Sehr gut. Stütze seinen Kopf in deine Hand, Edmund, und leg die andere auf seine Stirn.« Es war nicht schwierig, das Brechmittel, eine Senfmischung, in den halboffenen Mund zu flößen, doch der steife Hals mußte sich schrecklich abquälen, um zu schlucken. Ein Teil der Flüssigkeit rann über Bonels Bart und in die Schüssel. Bruder Edmunds Hände bebten, während sie den gepeinigten Kopf stützten. Auch Meurig, der die Schüssel hielt, zitterte heftig. Als sich der Patient endlich übergab, ging ein krampfhaftes Zucken durch seinen ganzen Körper, der Puls wurde noch schwächer, und das Ergebnis der gewaltigen Anstrengungen war unzureichend. Es war tatsächlich zu spät für Gervase Bonel. Cadfael gab es auf, voller Angst, der Mann könnte ihm unter den Händen sterben.
    Er wartete, bis die Krämpfe nachließen, dann bat er: »Gebt mir die Eiermilch.«
    Langsam löffelte er die zähe Flüssigkeit in den offenen Mund und ließ sie durch die starre Kehle rinnen, in so geringen Mengen, daß der Patient nicht ersticken konnte. Wenn es auch zu spät war, den Schaden zu beheben, den das unbekannte Gift in Bonels Schlund angerichtet hatte, so könnte es immer noch möglich sein, eine Schutzschicht über die betroffenen Teile zu legen und ihren Zustand zu bessern. Geduldig flößte Cadfael dem Kranken einen Tropfen nach dem anderen ein.
    Grabesstille umgab ihn, die Anwesenden wagten kaum zu atmen.
    Der große Körper schien zu schrumpfen und im Bett zu versinken, der starre Blick verschleierte sich. Bonel hatte einen Kollaps erlitten. Die Halsmuskeln bemühten sich nicht mehr, die Eiermilch

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